Zur Frage nach Trumps künftiger Außenpolitik
Übersicht
1. Trump und Putin als „Brüder im Geiste“?
2. Trump als Wiedergänger Nixons?
3. Die Wiederkehr des Geo-Bellizismus?
Anmerkungen
„Da die Vergangenheit die Zukunft nicht mehr erhellt,
tappt der Geist im Dunkeln.“
(Alexis de Tocqueville)
1. Trump und Putin als „Brüder im Geiste“?
Der US-amerikanische Politikwissenschaftler, Daniel W. Drezner, hat mit seiner Veröffentlichung „The End of American Exceptionalism“ in Foreign Affairs vom 12. November 2024 die These aufgestellt, dass Trumps zweite Amtszeit als US-Präsident „das Ende des amerikanischen Exzeptionalismus“ (the end of American exceptionalism) bedeute.
Die These vorwegnehmend, schreibt Drezner bereits im Untertitel seiner Veröffentlichung, dass Trumps Wiederwahl „die Macht der USA neu definieren“ (Trump’s Reelection Will Redefine U.S. Power) und diese Re-Definition zu Neubewertung der Machtstellung der USA in der Welt führen werde, was wiederum das „Ende des amerikanischen Exzeptionalismus“ besiegeln würde.
Bemerkenswert an dieser These ist nicht so sehr ihr Untergangsszenario als vielmehr deren Begründung. Und die hat es in sich. Der Verfasser nennt zwei Gründe, die „den amerikanischen Exzeptionalismus“ untergraben sollten: Die gemachten „Fehler“ in der US-Außenpolitik und der russische „Whataboutismus“ (U.S. policy blunders, as well as Russian „whataboutism“).
Was Drezner unter den außenpolitischen „Fehlern“ verstanden wissen will, hat er nicht weiter erläutert. Zu dem sog. russischen „Whataboutismus“ (von englisch What about …?) hat er hingegen dezidiert Stellung genommen. Darunter versteht er eine am russischen außenpolitischen Handeln geübte Kritik, die von Russland mit einer Gegenkritik beantwortet und mit Verweis auf das vergleichbare Handeln seiner Kritiker zurückgewiesen wird.
Bezogen auf den Ukrainekonflikt, bedeutet dieser sog. „russische Whataboutismus“ eine entschiedene Zurückweisung des westlichen Vorwurfs eines Völkerrechtsbruchs und/oder des Neoimperialismus mit der Begründung: Der Westen praktiziere eine Doppelmoral und urteile nach dem Motto: „Quod licet Iovi, non licet bovi“ (Was dem Jupiter erlaubt ist, ist dem Ochsen nicht gestattet).
Während der „russische Whataboutismus“ „die Macht des amerikanischen Exzeptionalismus untergraben hat (have eroded the power of American exceptionalism), wird „Trump 2.0 sie begraben“ (Trump 2.0 will bury it), prophezeit Drezner und unterstellt damit Trump indirekt Putins „Bruder im Geiste“ zu sein.
Mit dieser völlig abwegigen Unterstellung wiederholt er lediglich unausgesprochen den ständigen Vorwurf der US-Demokraten an Trumps Adresse: Trump werde von Putin gesteuert.
„Tatsächlich macht sich Trump selbst seine Version des Whataboutism zu eigen, wenn es um die amerikanischen Werte geht“ (Indeed, Trump himself embraces a version of whataboutism when it comes to American values), beteuert Drezner und wirft Trump die Untergrabung der amerikanischen Werte vor, indem er dessen Äußerung aus seiner ersten Amtszeit zitiert: „Wir haben viele Mörder. Was meinst du: Ist unser Land so unschuldig?“
Damit spielt Drezner auf ein Interview ab, das Trump dem Sender Fox News Anfang Februar 2017 gegeben hat. Auf die Frage des Journalisten, ob er Putin für einen Mörder hält, hat Trump die eben zitierte Antwort gegeben.
2017 hat die Welt Trumps Äußerung noch nicht ernst nehmen wollen, die Wahl 2024 hat jedoch Trumps wahres Gesicht gezeigt, entrüstet sich Drezner. Während des Wahlkampfs versprach er nämlich Mexiko zu bombardieren, illegale Einwanderer abzuschieben und nannte die US-Demokraten „die Feinde von innen“ (the „enemies from within“).
Freilich hat Drezner „vergessen“ zu erwähnen, dass auch Biden zu Beginn seiner Präsidentschaft Trump-Anhänger als „inländische Terroristen“ denunzierte.
Jetzt ist unser Sympathisant der US-Demokraten um Amerikas Image besorgt: Trump zerstöre gemeinsam mit Putin den „amerikanischen Exzeptionalismus“, der unsere amerikanischen Werte verkörpere. Der Rest der Welt schaue jetzt auf Trump und glaube: Trump sei die Verkörperung dessen, wofür Amerika im 21. Jahrhundert stehe.
Mit Abscheu und Entsetzen beobachtet Drezner diese Entwicklung besorgt und schreibt geradezu nostalgisch:
Von Harry Truman bis Joe Biden haben sich alle US-Präsidenten die Vorstellung zu eigen gemacht, dass die amerikanischen Werte und Ideale eine wichtige Rolle in der US-Außenpolitik spielen. Diese werteorientierte US-Außenpolitik wurde zwar immer wieder in Frage gestellt. Die Förderung von Demokratie und Menschenrechten wird aber seit geraumer Zeit mit den nationalen Interessen Amerikas identifiziert und – folgt man dem Politologen Joseph Nye – zum Kernbestandteil der US-amerikanischen Soft Power erhoben.
Und was jetzt? Jetzt sieht es mit „Trump 2.0“ düster aus. Eine Untergangsstimmung breitet sich unter den US-Demokraten aus. Entgeistert blickt Drezner stellvertretend für das gesamte, von den US-Demokraten und den sog. „liberalen Internationalisten“ geprägte US-Establishment auf die kommende US-Präsidentschaft von Donald John Trump. Zu Recht?
In den vergangenen zweiunddreißig Jahren seit dem Ende des „Kalten Krieges“ waren die US-Demokraten zwanzig Jahre davon an der Macht. Und jetzt jammern sie und weigern sich einzugestehen, dass auch sie es waren, die dazu beigetragen haben, Amerikas Image in der Welt durch die exzessive Militarisierung der US-Außenpolitik, die zu den zahlreichen verheerenden Interventionen und Invasionen und einem gigantischen Schuldenberg geführt hat, zu beschädigen.
Jetzt versuchen sie die eigene außenpolitische Mitverantwortung in die Schuhe der MAGA-Republikaner zu schieben und werfen Trump, der bis jetzt keinen einzigen Krieg vom Zaun gebrochen hat, eine Untergrabung des amerikanischen Exzeptionalismus mit Putins Unterstützung vor, wo sie doch selber alles getan haben, um die amerikanischen Werte und Ideale mit ihrer militanten Außenpolitik seit der Clinton-Administration zu Grabe zu tragen.
2. Trump als Wiedergänger Nixons?
Warum regen sich die US-Demokraten und ihre Anhänger über die künftige US-Außenpolitik der Trump-Administration so sehr auf, dass sie darüber bereits vor seinem Amtseintritt ein Verdammungsurteil fällen? Der Grund liegt offenbar in einer ideologiefreien, werteindifferenten und undogmatischen US-Außenpolitik der künftigen Trump-Administration, die bei Trumps Gegnern regelrechte Wutausbrüche verursacht und Hassgefühle erzeugt.
Eine dogmenfreie US-Außenpolitik zerstöre die amerikanischen Werte, entwerte den amerikanischen Exzeptionalismus und macht ihn wertlos, empören sich seine Gegner, wodurch ihr ganzes Selbst- und Weltbild in Frage gestellt wird.
Eine solche „Gotteslästerung“ wollen und dürfen sie nicht zulassen. Und die Gefahr einer derartigen, die amerikanischen Werte zerstörenden US-Außenpolitik sieht Drezner in Trumps „Wahnsinnstheorie“ („madman theory“). Aber stimmt das überhaupt?
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges betrieben die USA eine ideologische Systemkonfrontation und seit dem Ende des Ost-West-Konflikts waren sie mit ihrer werteorientierten Außenpolitik auf dem Vormarsch, deren axiologische Expansion gen Osten mit dem Kriegsausbruch in der Ukraine abrupt beendet wurde.
Diese expansive, werteorientierte US-Außenpolitik ist gescheitert, weil sie – statt ganz Europa zu befrieden – neue Gräben aufgerissen und zum Krieg geführt hat. Das möchten die Prediger der „westlichen Werte“ nicht wahrhaben und sind wie Drezner darüber empört, dass Trump mit seiner „Madman-Strategie“ alles nur verschlimmbessert. Es war der US-Präsident Richard Nixon (1969-1974), der die „Madman-Theory” erfand. Sie besagt: „Wenn der Gegner das Gefühl hat, dass du unberechenbar oder gar unbedacht bist, dann wird er sich hüten, dich zu sehr unter Druck zu setzen.“
Die Nixon-Administration wollte die Welt davon überzeugen, dass der US-Präsident nicht zurechnungsfähig und darum zu allem fähig sei. Dieser Bluff sollte die Furcht vor Atomkrieg schüren und nicht zuletzt im Vietnamkrieg funktionieren.
Seinem Stabschef, Harry Robbins Haldeman (1926-1993), soll Nixon gesagt haben: „Ich will die Nordvietnamesen glauben machen, dass ich den Punkt erreicht habe, wo ich alles tun werde, um den Krieg selbst mit dem Einsatz der Nuklearwaffen zu beenden. In zwei Tagen würde dann Ho Chi Minh persönlich in Paris erscheinen und um Frieden bitten.“
Als Demonstration seiner „Verrücktheit“ befahl Nixon 1969 die Operation „Menu“, ein streng geheimes Flächenbombardement auf Kambodscha, das vom 18. März 1969 bis zum 26. Mai 1970 durchgeführt wurde, sowie die Invasion des Landes 1970. Die Aktionen haben freilich keinen durchschlagenden Erfolg gebracht.
Nixon wandte seine „Madman-Strategie“ während des Vietnamkrieges an, um Nordvietnams Führung zu zeigen, dass er bereit ist, die Grenzen des Undenkbaren zu überschreiten. Genau diese außenpolitische „Wahnsinnsstrategie“ unterstellt Drezner auch „Trump 2.0“ und glaubt, dass die künftige Trump-Administration einen Zwang ausüben, mit massiven Zollerhöhungen oder „Wutausbruch“ (bzw. „fire and fury“) reagieren bzw. drohen werde, um die Gegenspieler unter Druck zu setzen und Zugeständnisse abzuringen.
Diese „Madman-Strategie“ untergrabe laut Drezner die amerikanischen Werte, weil sie ideologiefrei und axiologisch indifferent bereit sei, Gewalt gegen Freund wie Feind anzuwenden. Bereits in seiner ersten Amtszeit zeigte Trump in Bezug auf China immer wieder Kompromissbereitschaft trotz der Unterdrückung in Hongkong und der Repressionen in Xinjiang, um ein besseres bilaterales Handelsabkommen zu erzielen, behauptet Drezner.
Trump habe bereits in seiner ersten Amtszeit auf die Verbündeten Druck ausgeübt und gefordert, einen größeren Anteil der Last für die eigene Verteidigung zu übernehmen und glaubte, mit den „Autokraten wie Russlands Wladimir Putin oder Nordkoreas Kim Jong-un Deals abschließen zu können, die die Spannungen in den globalen Krisenherden abbauen und es den USA ermöglichen würden, sich nach innen zu richten.“
Drezner wiederholt hier im Grunde jene Vorwürfe, die Jim Sciutto in seinem 2020 veröffentlichten Werk „The Madman Theory: Trump Takes On the World“ niedergeschrieben hat:
Trump lobte Diktatoren und verprellte Verbündete – Chaos war Trumps Markenzeichen. Seine Strategie hat nach vier Jahren im Amt mehr Probleme verursacht als gelöst. Richard Nixon versuchte es zuerst. In der Hoffnung, den kommunistischen Machtblock instabil zu machen, ließ Nixon sie glauben, er sei verrückt genug, um Atomwaffen gegen sie einzusetzen.
Er nannte das die „Madman-Theorie“. Fast ein halbes Jahrhundert später entwickelte Trump seine eigene „Madman-Theorie“. Er lobte Kim Jong-un, bewunderte und schmeichelte Wladimir Putin und gab Recep Tayyip Erdogan grünes Licht für die Invasion Syriens. Gleichzeitig attackierte er die US-Institutionen und den Beamtenapparat, ignorierte die eigenen Berater und kehrte US-Verbündeten den Rücken – von Kanada und Mexiko über die Nato und die Ukraine bis hin zu den Kurden im Krieg mit ISIS.
Trump war bereit, die heikelsten und folgenreichsten Entscheidungen für das Land zu treffen, ignorierte aber dabei oft die besten ihm zur Verfügung stehenden Geheimdienstinformationen und überraschte die Welt ständig.
Nach vier Jahren seiner Präsidentschaft ist laut Sciutto klar geworden, dass Trumps Außenpolitik die amerikanischen Werte und die nationalen Sicherheitsinteressen untergraben und den eigenen Verbündeten, die jahrzehntelang zu uns gestanden hatten, geschadet hat.
Gleichzeitig hatte Trump unsere Feinde umschmeichelt und gestärkt. Trumps Außenpolitik war im Großen und Ganzen unberechenbar und planlos. Er hinterlässt ein katastrophales Erbe, das zeigt, wie sein Hang zum Chaos eine Welt schuf, die instabiler, gewalttätiger und ärmer wurde als je zuvor, resümiert Sciutto im Jahr 2020.
Aber stimmt diese denunziatorisch anmutende Darstellung der US-Außenpolitik von Trumps erster Amtszeit überhaupt? Und hat die Biden-Administration die Welt nicht viel instabiler und gewalttätiger gemacht?
Drezner und Sciutto ignorieren in ihrer Feindschaft zu Trump die geoökonomische Dimension der Außenpolitik des 45. US-Präsidenten und laufen darum Gefahr, auch die außenpolitischen Intentionen und Ziele des 47. US-Präsidenten zu verkennen.
3. Die Wiederkehr des Geo-Bellizismus?
Trumps Sieg in den US-Präsidentschaftswahlen am 8. November 2016 leitete eine US-Außenpolitik ein, die zu einer geoökonomischen Konfrontation zwischen den USA und China geführt hat. Haben die USA die Ukraine-Krise 2014 trotz theatraler Empörung und zahlreichen Sanktionen noch relativ gelassen und mit Schulterzucken zur Kenntnis genommen, so hat der ökonomische Aufstieg Chinas eine ganz andere, existenzbedrohende Dimension und Ausmaß erreicht, das an den Grundfesten der US-Welthegemonie rüttelt.
Chinas geoökonomische Bedrohung führte letztlich zum Ausbruch eines geoökonomischen Konflikts, der immer mehr in einen regelrechten geo-ökonomischen Bellizismus (kurz: Geo-Bellizismus) ausartete. Diesem Geo-Bellizismus lag eine geoökonomische Eskalationsstrategie der Trump-Administration zugrunde, die dreierlei zum Ziel hatte:
- einen weiteren ökonomischen und technologischen Aufstieg Chinas auszubremsen und den geoökonomischen Status quo der westlichen Hemisphäre mittels handels- und währungspolitischer sowie finanzieller und technologischer Repression aufrechtzuerhalten;
- eine Schwächung der Weltleitwährungsfunktion des Dollars abzuwenden und schließlich
- die von den Großmächten Russland und China ausgehende potentielle Gefahr für die US-amerikanische Vormachtstellung im globalen Raum ökonomisch zu neutralisieren.
Bis auf die (noch) bestehende monetäre US-Vormachtstellung wurden die anderen geoökonomischen Ziele bis dato nicht erreicht und sie bleiben bis auf Weiteres unerreichbar. Ob Trumps zweite Amtszeit diese Ziele realisieren kann, bleibt indes mehr als zweifelhaft.
Die erste Trump-Administration (2017-2021) hat den US-amerikanischen Protektionismus reanimiert und die US-Geopolitik von Grund aus geoökonomisiert.1 Diese Geoökonomisierung der Geopolitik hat die amerikanisch-chinesischen Beziehungen zerrüttet, zugleich aber keinen durchschlagenden Erfolg gebracht. Ganz im Gegenteil: Trumps Anti-China-Politik hat zur Annährung und zu einem strategischen Schulterschluss zwischen China und Russland in ihrem Kampf gegen die US-Hegemonie geführt.
Schlimmer noch: Mit dem Aufstieg der BRICS-Staaten zu einem geopolitisch und geoökonomisch relevanten globalen Machtfaktor sieht es so aus, als würde auch die letzte, monetäre Bastion der US-Hegemonie mittel- bis langfristig fallen. Das wäre dann das endgültige Ende der US-Hegemonie!
Was passiert aber, wenn der US-Hegemon seine unangefochtene privilegierte monetäre Vormachtstellung im Welthandel, die er jederzeit geopolitisch und geoökonomisch missbrauchen kann, da er der Emittent eines nationalen Geldes ist, das als „Weltgeld“ gelten kann, verliert? Der US-Dollar wird heute von den USA als monetäres Vehikel zur Durchsetzung ihrer machtpolitischen Interessen missbraucht.
Die machtpolitische Instrumentalisierung des monetären Privilegs ist freilich für den Emittenten des „Weltgeldes“ selbst nicht unproblematisch.
Seiner Natur nach ist ein solcher monetärer Machtmissbrauch janusköpfig. Er kann die monetäre Stabilität der Weltwirtschaft entweder gewährleisten oder gefährden oder aber auch eine monetäre Destabilisierung ganzer Volkswirtschaften herbeiführen. Der US-Dollar ist ein mächtiges Machtinstrument in der Hand des machtpolitisch agierenden US-Hegemonen.
Das Problem ist allerdings, dass ein derartig agierender Hegemon seine Funktion als „Drehscheibe der Weltkreditströme und damit als Weltbankier“2 gefährdet und die eigene Gläubigerstellung infolge der finanziellen Repression, Beschlagnahme der fremden Aktiven und eines Handelsverbots in Dollars depraviert.
Umso tragikomischer war es, eine von Donald Trump in seinem Wahlkampf geäußerte Drohung zu hören: all diejenigen, die sich weigern, den Dollar als Zahlungsmittel zu benutzen, mit Sanktionen und sonstigen Strafmaßnahmen zu belegen, wo doch die USA diejenigen sind, die selbst ja einem geopolitischen Rivalen wie Russland verbieten, in der Weltleitwährung Dollar zu handeln.
Diese Selbstgefährdung des US-Hegemonen ausgerechnet als Folge seiner monetären Weltdominanz provoziert einen Zielkonflikt zwischen dem globalen hegemonialen Anspruch auf die weltweite Vormachtstellung und den nationalen wohlfahrtsstaatlichen Interessen, wie etwa Importüberschüsse abbauen oder Exportanteile erhöhen zu wollen, um mehr Arbeit und Beschäftigung der breiten Bevölkerungsschichten zu ermöglichen.
In diesem Zielkonflikt befand sich Trump in seiner ersten Amtszeit, den er nicht lösen konnte. Heute sieht die Weltlage für die USA in Anbetracht einer militärischen Erstarkung Russlands, eines weiter ungebremsten ökonomischen und technologischen Aufstiegs Chinas und der zahlreichen militärischen Konflikte, in die die USA involviert sind, viel dramatischer aus.
Mit der ihm unterstellten „Madman-Strategie“ wird Trump kein Blumentopf gewinnen, weil diese Strategie die entstandene Großmächterivalität eher verschärfen als entschärfen und weder die US-Vormachtstellung stärken noch den nationalen wohlfahrtsstaatlichen US-Interessen dienlich sein würde. Vielmehr wird es zu einer weiteren Depravierung sowohl der US-Machtstellung als auch des US-Wohlfahrtstaates führen.
Die einzige Lösung wäre die Suche nach einem Macht- und Interessenausgleich unter den Großmächten. Genau das scheint Trump im Falle Russlands anzustreben, indem er versuchen wird, Russland gegen China auszuspielen. Der Versuch wird scheitern, weil die Beziehungen zwischen China und Russland von strategischer Bedeutung und nicht taktischer Natur sind.
Ob Trump die erfolgslose Geoökonomisierung der Geopolitik seiner ersten Amtszeit fortsetzen wird, ist nicht ausgemacht, kann aber auch nicht ausgeschlossen werden. Der Erfolg ist dabei alles andere als garantiert. Das von Ideologen dominierte außenpolitische US-Establishment wird ihm zudem Steine in den Weg legen, weil es nach wie vor in der Blocklogik der Konfrontation des „Kalten Krieges“ lebt und Trumps undogmatische und ideologiefreie Außenpolitik kategorisch ablehnt.
Wie Daniel W. Drezner denkt auch das US-Establishment gar nicht daran, auf die Ideologie des amerikanischen Exzeptionalismus zu verzichten. Gelingt es Trump die ideologiegesteuerte US-Außenpolitik zu überwinden, hat er dann zumindest eine kleine Chance in seiner zweiten Amtszeit außenpolitisch erfolgreicher zu sein.
Der Erfolg wird dabei daran gemessen, ob es Trump gelingen wird, Kriege und Krisen in der Welt einzuhegen. Seine geoökonomisch geprägte außenpolitische Agenda verspricht freilich nichts Gutes und wird womöglich die Fehler der ersten Amtszeit wiederholen. Es bleibt nur zu hoffen, dass er aus den Fehlern gelernt hat. Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.
Anmerkungen
1. Näheres dazu Silnizki, M., Geo-Bellizismus. Über den geoökonomischen Bellizismus der USA. 25. Oktober
2021, www.ontopraxiologie.de; ders., Geoökonomie der Transformation in Russland. Gajdar und die Folgen.
Berlin 2020, 98 ff.
2. Herr, H., Weltgeld und Instabilität der 70er und 80er Jahre, in: Riese, H, /Spahn, H.-P. (Hrsg.),
Internationale Geldwirtschaft. Transfer Verlag 1989, 106-154 (120).