Carnegie Russia Eurasia Zentrum
Übersicht
1. Wer zahlt, bestimmt die Musik
2. Die Psychologisierung der Außenpolitik
Anmerkungen
Das Spiel mit dem Ernst ist dem Ernst der Lage nicht angemessen.
1. Wer zahlt, bestimmt die Musik
Nach der Schließung des Moskauer Carnegie-Zentrums am 24. Februar 2022 wurde es in Berlin ein Jahr später, am 25. April 2023, unter dem Namen „Carnegie Russia Eurasia Zentrum“ neugegründet. An der Spitze des geschlossenen Carnegie-Zentrums in Moskau stand zuletzt Dmitrij Trenin (geb. 1955), ein ausgewiesener Außen- und Sicherheitsexperte, der auch im Ausland als russischer Liberale und Patriot ein hohes Ansehen genoss.
Dem neugegründeten Zentrum in Berlin steht ein ehem. Mitarbeiter des Moskauer Carnegie-Zentrums und Vertreter der neuen Generation der Russen, Chinaexperte und Journalist, Alexander Gabuev (geb. 1985), vor.
Nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine verließ er Russland aus Protest zusammen mit anderen ehem. Mitarbeitern des Moskauer Carnegie-Zentrums und Putin-Gegner (darunter Alexander Baunov, Andrei Kolesnikov und Vita Spivak) und fand seine neue Heimat in Berlin.
Auf der Webseite des Berliner Carnegie-Zentrums wird der „Gründungsdirektor des Zentrums, Alexander Gabuev,“ als „einer der weltweit führenden Experten für die russische Außenpolitik und chinesisch-russischen Beziehungen“ gepriesen.
Als Chinaexperte und „einer der weltweit führenden Experten für die russische Außenpolitik“ ist er zumindest bis dato als solcher nicht aufgefallen.
Und weiter ist zu lesen: „Unter seiner Leitung wird das Zentrum ein außergewöhnliches Team von prominenten Experten beherbergen, darunter Alexander Baunov, Andrei Kolesnikov, Alexandra Prokopenko, Tatiana Stanovaya, Maxim Samorukov, Artyom Shraibman, Vita Spivak, Temur Umarov und Sergey Vakulenko.“
Das von der Carnegie-Stiftung finanzierte Zentrum in Berlin ist, wie man sieht, zu einem Sammelbecken der russischen und weißrussischen Oppositionellen geworden, die prowestlich orientiert sind und sich selbstverständlich für russische Liberale halten.1
Im Gegensatz zum „Moskauer Carnegie-Zentrum“ geht es dem neugegründeten Berliner Zentrum nicht so sehr um wissenschaftliche Forschung als vielmehr um eine Politagitation gegen „Putins Russland“. Wie sollte man auch sonst als „Liberale“ aus Russland sein Geld im Westen verdienen?
Dass das keine bösartige Unterstellung ist, bezeugt eben das erklärte Ziel des Zentrums selber, auf dessen Webseite der Gründungsdirektor, Gabuev, mit den Worten zitiert wird: „Das neue Carnegie Russia Eurasia Zentrum in Berlin hat eine wichtige Aufgabe: die Welt bei der Bewältigung der massiven Herausforderungen zu unterstützen, die durch die unprovozierte Aggression des Kremls gegen die Ukraine ausgelöst wurden, und die zukünftigen Triebkräfte der Entwicklungen in der gesamten Region zu verstehen. Ich fühle mich geehrt, eine so wichtige Institution in dieser kritischen Phase leiten zu dürfen.“
Das Schlagwort von der „unprovozierten Aggression des Kremls“ zeigt bereits, wohin die Reise geht und wie pudelwohl er und seine Gesinnungsgenossen sich in der neuen Heimat fühlen, haben sie doch schnell und willfährig den Sprachgebrauch ihrer westlichen Finanziers übernommen.
Wie könnte es auch anders sein!? Als Sprachrohr der russischen Opposition werden sie im „Westen“ mit offenen Händen empfangen, haben sie doch die „ehrenvolle“ Aufgabe die „Aggression des Kremls“ anzuprangern.
Ob sie dabei womöglich von der westlichen Kriegspropaganda missbraucht werden könnten, bekümmert sie eher wenig; sie üben schließlich ihre „verdienstvolle“ Tätigkeit nicht um des Geldes willen, sondern um die hehren Ideale von Frieden, Demokratie und Gerechtigkeit und all jene schönen Worte, die uns eine „glückliche“ und unbeschwerte Zukunft versprechen.
Wie „verdienstvoll“ ihre Dienste sind, zeigte sich unlängst an einer Veröffentlichung, die von Foreign Affairs am 26. März 2025 veröffentlicht wurde.
Unter dem anspruchsvollen Titel „Putin’s Theories of Victory“, der eine wissenschaftliche „Glanzleistung“ suggeriert, verfassten Alexander Gabuev, Alexandra Prokopenko und Tatjana Stanowaja gemeinsam eine Schrift, die weder eine außenpolitische Analyse noch Militärexpertise über die aktuellen Entwicklungen an der Front oder eine Studie über die Aussichten der staatfindenden Friedensverhandlungen anzubieten hatte.
Die Schrift erweist sich vielmehr als eine Politagitation gegen eine Trump-Putin-Konnexion. Das überrascht nicht! Denn außer ihrer gemeinsamen Gegnerschaft zu Putin eint die drei VerfasserInnen ganz und gar nicht. Sie könnten unterschiedlicher auch nicht sein: Ein Chinaexperte, eine Ökonomin und eine Politikwissenschaftlerin.
Das heterogene Dreiergespann schickte sich an, einen gemeinsamen Text zu Papier zu bringen, der an Stelle einer geo- und sicherheitspolitischen Analyse lauter Psychologismen über die Trump-Putin-Beziehung produziert hat.
Einer solchen Psychologisierung der Außen- und Sicherheitspolitik liegt die Annahme zugrunde, dass zwischen Trump und Putin ein ungleiches Verhältnis herrscht, dergestalt, dass der >naive Trump< vom >gerissenen Putin< stets über den Tisch gezogen werde.
Hinter einer solchen Annahme verbirgt sich nicht so sehr eine eingehende Analyse der stattfindenden Friedensgespräche zwischen den USA und Russland, als vielmehr ein innenpolitischer Feldzug der US-Demokraten gegen Trump, denen eine neue Ausrichtung der US-Russlandpolitik ganz und gar nicht gefällt.
Und so lässt sich unser Dreigespann in diesen innenpolitischen US-Machtkampf einspannen und zeigt damit ungewollt, wes Geisteskinder es ist.
Viele Mutmaßungen, Unterstellungen, Klischees, An- und Beschuldigungen werden dabei aufgestellt und man merkt den VerfasserInnen an, wie sehr sie den „schönen“ alten Zeiten der Biden-Administration nachtrauen, in denen man genau wusste, wer Freund und wer Feind ist.
Das Dreigespann ist offenbar noch nicht richtig im neuen Zeitalter – im Zeitalter der Trump-Regentschaft – angekommen. Stets wiederholen sie die alten Parolen der US-Demokraten, als wäre die Biden-Administration immer noch an der Macht.
„In weniger als zwei Monaten hat Trump Russland größere symbolische und materielle Siege (greater symbolic and material victories) beschert, als das Land sich hätte vorstellen können,“ empören sie sich und werfen der Trump-Administration vor, „wiederholt russische Desinformationen über den Konflikt nachzuplappern,“ indem sie u. a. Kiew und nicht Moskau für den Krieg mitverantwortlich mache.
Dass das Kiewer Regime am Kriegsausbruch womöglich nicht ganz unschuldig und mitverantwortlich ist und dass es keine „russische Desinformation“ sein könnte, möchten sie gar nicht wissen, so sehr sind sie von ihrem „gerechten“ Kampf gegen ihren innenpolitischen Feind Putin ergriffen und zu wenig sind sie bereit und in der Lage, die ideologischen Scheuklappen fallen zu lassen, um ihr Feindbild in Frage zu stellen, sonst würde sie sich selbst als „gerechter“ Kämpfer für das >Gute< und gegen das >Böse< desavouieren.
Dass dabei eine geo-, außen- und sicherheitspolitische Analyse auf der Strecke bleibt, das tut >der Sache< keinen Abbruch. Wen kümmert das schon? Es ist nur so, dass das auf der Webseite der russischen „Denkfabrik“ in Berlin namens „Carnegie Russia Eurasia Zentrum“ veröffentlichte Selbstlob: „Der Gründungsdirektor des Zentrums, Alexander Gabuev, ist einer der weltweit führenden Experten für die russische Außenpolitik“ ein Etikettenschwindel ist.
2. Die Psychologisierung der Außenpolitik
Das folgende Zitat zeigt, auf welchem Niveau hier diskutiert wird:
„Moskau bereitet sich darauf vor, Trump so viel und so lange wie möglich zu melken … Putin befürwortet ein Abkommen, das Kiew alle möglichen Restriktionen auferlegen und Moskau eine dauerhafte Stimme in der ukrainischen Politik geben würde. Er würde sich wahrscheinlich mit einer Lösung zufriedengeben, die die westliche Unterstützung für die ukrainischen Streitkräfte einschränkt. Ein solcher Stopp, so der Kreml, würde ausreichen, um sicherzustellen, dass Moskau Kiew schließlich besiegt. Putin wäre auch dann glücklich, wenn die Ukrainer und ihre europäischen Verbündeten das Abkommen ablehnen würden. Trump hätte dann einen Grund, die US-Unterstützung für Kiew dauerhaft zu beenden.
Selbst wenn Putin Trump nicht dazu überreden kann, die Ukraine im Stich zu lassen, hofft er immer noch, die amerikanisch-russischen Beziehungen dauerhaft zu reparieren, um die Sanktionen zu lockern. Sollte aber auch dieser Versuch scheitern, wird Russlands Führer einfach so weitermachen wie bisher. Die russische Wirtschaft hat zu kämpfen, aber sie ist stabil. Moskau hat einen massiven personellen Vorteil gegenüber Kiew und Putin hofft, dass Washington ihm stillschweigend helfen wird, die Ukraine zu besiegen. Er ist aber auch bereit, weiterzukämpfen, wenn nichts anders geht.“
Als wäre das nicht genug, wird ein Psychogramm von Putin erstellt:
„Putin hat unterdessen das Narrativ der Trump-Kampagne nachgeplappert, dass Moskau keinen Grund gehabt hätte, gegen Kiew in den Krieg zu ziehen, wenn die US-Wahl 2020 nicht >gestohlen< wäre. Der russische Führer, ein ehemaliger KGB-Rekrutierungsoffizier, scheint herausgefunden zu haben, wie er Trumps Ego manipulieren kann, damit dieser die Betrachtungsweise des Kremls übernimmt.
Putins Machenschaften (machinations) gehen über das bloße Ausspielen von Trumps eigenen Vorlieben hinaus. Moskau hat auch das Weiße Haus für sich gewonnen, indem es sich als Großmacht positioniert hat, die Trumps globale Agenda voranzutreiben bereit ist. …
Moskau hat Rubio, Vance und Trump für sich gewonnen, indem es leise andeutete, dass es sich aus der Umarmung Chinas befreien könnte, wenn Washington Moskau etwas Luft verschafft, etwa durch eine Lockerung der Sanktionen … Sollte Trump sich weigern, die amerikanische Unterstützung für die Ukraine zu beenden, glaubt Putin immer noch, dass sich Diplomatie auszahlen könnte.“
Wenn man all das liest, ist man nicht nur über eine ziemlich einfältige, oberflächliche und psychologisierende Beschreibung der stattfindenden Friedensgespräche zwischen den USA und Russland zur Beilegung des Ukrainekonflikts, sondern auch darüber irritiert, dass manche Äußerungen frei erfunden sind.
Gabuev und Co. lehnen ofenkündig eine Annährung zwischen Trumps Amerika und Putins Russland ab, sehen darin einen „Verrat“ an der >ukrainischen Sache< und sind im Sinne ihrer den US-Demokraten nahstehenden Arbeitsgeber bestrebt, Trump als Schwächling und Narr hinzustellen, der sich Putin gegenüber nicht durchsetzen kann.
Das Ziel ist zweifellos die ohne Selenskyj und die transatlantische Kriegspartei geführten Friedensgespräche zwischen Trump und Putin zu torpedieren.
Ohne irgendwelche Beweise vorzulegen, beteuern sie, dass Putin „ein Abkommen“ verlange, das „Moskau eine dauerhafte Stimme in der ukrainischen Politik“ ermögliche. Auch die Behauptung, dass Putin „glücklich wäre, wenn die Ukrainer und ihre europäischen Verbündeten das Abkommen ablehnen würden,“ damit „Trump einen Grund hätte, die US-Unterstützung für Kiew dauerhaft zu beenden,“ ist frei erfunden.
Die Behauptung: Moskau sei „als Großmacht“ bereit, „Trumps globale Agenda voranzutreiben“, ist zudem derart abstrus, dass man sich über die außenpolitische Urteilsfähigkeit unserer Politagitatoren nur wundern kann. Trumps einzige Agenda ist Amerika „Great Again“ zu machen. Dass Putin dabei behilflich sein sollte, kommt einem ziemlich merkwürdig vor.
Nein, all das sind Phantasmagorien, die die Intentionen der russischen Geo- und Sicherheitspolitik in keinerlei Weise tangieren. Die Gegnerschaft zu Putin und seinem neuen „Komplizen“ Trump macht die russischen Oppositionellen außenpolitisch derart blind, dass sie zwischen dem Schloss an der Tür und dem Schloss am Meer nicht unterscheiden können.
Eingespannt in eine Anti-Trump-Propaganda der US-Demokraten und vom Hass auf alles, was Putin nützen könnte, ergriffen, reden sie sich allen Ernstes ein, ohne Militärexperten zu sein, dass Russland nicht unbedingt über die Ukraine triumphieren werde, vorausgesetzt, dass Europa ihr weiterhelfen würde. Dann könnte „Russlands Offensive ins Stocken geraten.“
„Angesichts der wachsenden menschlichen Verluste, schwindenden Ausrüstungsvorräte und einer wirtschaftlichen Stagnation könnte Putin beschließen,“ hoffen sie am Schluss ihrer Ausführungen, „dass es an der Zeit ist, seine Errungenschaften zu zementieren, damit sich das Blatt nicht wendet. Er könnte dann einem Waffenstillstand entlang der derzeitigen Frontlinie zustimmen, der die militärische Zusammenarbeit Kiews mit dem Westen oder seine Fähigkeit zur Wiederbewaffnung nicht einschränkt. Die Ukraine würde zwar nicht ihr gesamtes Territorium zurückbekommen, dafür aber ein wirklich souveräner und unabhängiger Staat bleiben, der die Kontrolle über seine Zukunft hat und in der Lage ist, zukünftige Aggressionen abzuschrecken.“
Woher wissen unsere „Militärexperten“ all das? Derartige Auslassungen haben mit der militärischen Lage an der Front und den tatsächlichen Kräfteverhältnissen zwischen Russland und den europäischen Nato-Staaten nicht im Geringesten etwas zu tun. Zuletzt hat ein aufsehenerregender Bericht der US-Geheimdienste dazu ein realistisches Bild sowohl über die militärische Situation an der Front als auch über Russlands Militärmacht gezeichnet.2
Ohne Militärexperten zu sein, träumen unsere Politmatadoren dessen ungeachtet von „einem Waffenstillstand entlang der derzeitigen Frontlinie“ und predigen im gleichen Atemzug eine Wiederbewaffnung der Ukraine, wohl wissend, dass die russische Führung strikt dagegen ist.
Offenbar verstehen unsere „Militärexperten“ nicht, dass Waffenstillstand und die Wiederbewaffnung der Ukraine nicht zur Beendigung, sondern ganz im Gegenteil zur Fortsetzung des Krieges führen wird.
Wünschen sie sich einen permanenten Krieg gegen das eigene Land, damit „Putins Regime“ gestürzt wird? Sie glauben, dass die Ukraine im Falle des Waffenstillstands „ein wirklich souveräner und unabhängiger Staat“ bleibe, „der die Kontrolle über seine Zukunft hat und in der Lage ist, zukünftige Aggressionen abzuschrecken.“
Dabei bleibt es ein Rätsel, was sie unter „wirklicher Souveränität“ verstehen. Wer auf Kosten des „Westens“ und nicht auf eigene Rechnung einen Krieg führt, kann per definitionem kein „wirklich souveräner und unabhängiger Staat“ sein.
Bei der gigantischen Staatsverschuldung ist die Ukraine zudem schon lange pleite und hängt am Tropf der westlichen Kreditoren. Sie ist längst zur westlichen Schuldenkolonie verkommen, von den gigantischen Kriegsschäden und Kriegsopfern ganz zu schweigen.
Das Land ist zerstört und demographisch ramponiert. Und da reden sie sich ein, dass Russland und nicht die Ukraine einen Waffenstillstand „angesichts der wachsenden menschlichen Verluste, schwindenden Ausrüstungsvorräte und wirtschaftlichen Stagnation“ benötige. Sie leben in einer selbstgeschaffenen Propagandawelt und wissen nicht, wovon sie reden.
Die Kriegsopfer sind auf der ukrainischen Seite erschreckend. Sie betragen nach Einschätzungen der US-Militärexperten im Vergleich zu Russland 1 zu 8 bzw. 1 zu 10 zu Lasten der Ukraine, die unbedingt einen Frieden und nicht nur Waffenstillstand braucht. Nein, mit dieser russischen „Denkfabrik“ in Berlin ist kein Staat zu machen.
Das Fachpersonal der neugegründeten und von den russischen Putin-Gegnern besetzten „Denkfabrik“ ist nicht ihres Geldes wert, es sei denn, sie ist einzig und allein dazu berufen, statt einer soliden wissenschaftlichen Forschung eine gegen das eigene Land gerichtete Kriegspropaganda zu betreiben.
Anmerkungen
1. Näheres dazu Silnizki, M., „Im Westen nichts Neues“. Russische Westler und der westliche Informationskrieg.
29. Januar 2025, www.ontopraxiologie.de.
2. Vgl. Annual Threat Assessment of the U.S. Intelligence Community. 25. März 2025.