Verlag OntoPrax Berlin

Der Krieg in der Ukraine

Geoökonomische und geopolitische Würdigung

Die Logik der Geschichte ist die Logik der Macht.

„Wir werden“ – sinnierte George F. Kennan kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und inmitten des „Kalten Krieges“ – „noch lange Schwierigkeiten mit den Russen haben.“1 Es sieht so aus, als würden wir bis heute diese „Schwierigkeiten“ haben.

Mit den am 24. Februar 2022 ausgebrochenen Kriegshandlungen in der Ukraine scheint auch der „Kalte Krieg“ aus dem „Gefrierschrank“ der Geschichte aufgetaut zu sein und wieder „zittern“ wir in der extremen Kälte des russischen Winters, die unser Leben bedrohen sollte. Die USA müssen uns die Europäer erneut gegen die „russische Gefahr“ retten und beschützen und Putin müsse – wie Friedrich Merz neuerlich in seiner Bundestagrede vom 27. Februar 2022 gefordert hat – als „Kriegsverbrecher“ gebrandmarkt werden. Unsere eigenen Kriegsverbrecher im „Kosovo-Krieg“ (1999) und Afghanistan (ab 2001 ff.) ebenso wie im Irak-Krieg (ab 2003 ff.), Libyen- (2011) und Syrien-Krieg (ab 2011 ff.) haben wir allerdings spätestens seit dem Abzug der US-Truppen aus Afghanistan längst vergessen.

Die weltpolitischen Spannungen dauern mit einer wechselhaften Intensität seit dem Ausbruch des Kosovo-Krieges (1999) nunmehr dreiundzwanzig Jahre an und das Ende ist offenbar immer noch nicht in Sicht. Recht hatte der US-amerikanische Politologe John J. Mearsheimer, als er bereits 1990 – noch vor dem Zusammenbruch des Sowjetimperiums – in seinem aufsehenerregenden Aufsatz „Why We Will Soon Miss The Cold War“ (The Atlantic 90, Nr. 8, August 1990, 35-50) prophezeite, dass wir eines Tages bedauern werden, die Ordnung, welche dank dem „Kalten Krieg“ an die Stelle des Chaos in den internationalen Beziehungen getreten sei, verloren zu haben. „Ich werde den Beweis erbringen“ – verkündete Mearsheimer selbstbewusst -, dass „die Gefahr der großen Krisen und sogar Kriegen in Europa tendenziell wachsen werden, nachdem der >Kalte Krieg< der Geschichte angehört hat. Die nachfolgenden fünfundvierzig Jahre werden womöglich viel aggressiver sein, als die fünfundvierzigjährige Epoche, die wir vermutlich irgendwann statt einer Periode des >Kalten Krieges< einen – wie John Lewis Gaddis es nannte – >langen Frieden< nennen würden.“

Die geopolitische und geoökonomische Rivalität und damit eingehende Aggressivität und Chaos in den internationalen Beziehungen nimmt in der Tat von Jahr zu Jahr zu. War aber der „Kalte Krieg“ überhaupt jemals zu Ende? Oder befand er sich zurzeit der „Entspannungspolitik“ seit Gorbačev und dann in den 1990er-Jahren unter Jelzin lediglich in einem eingefrorenen Zustand, um dann bei Bedarf jederzeit aufgetaut zu werden? Denn bereits in der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre begann der „Kalte Krieg“ u. a. mit den zwei Čečenien-Kriegen (1994/96 u. 1999/2000), die von den US-Geheimdiensten tatkräftig unterstützt wurden, dem Kosovo-Krieg (1999) und nicht zuletzt mit der NATO-Osterweiterung (ab 1999 f.) langsam und unaufhaltsam aufzutauen.

Im Gegensatz zur Bipolarität des „Kalten Krieges“ haben die geo- und sicherheitspolitischen Spannungen der Gegenwart heute eine tripolare Struktur, deren Protagonisten die USA, Russland und China das Gefüge des „labilen Weltgleichgewichts“ (Arnold Bergstraesser)2 bestimmen, welches sich momentan zu einer gefährlichen geopolitischen und geoökonomischen Sprengkraft verdichtete, die jederzeit explodieren könnte. An die Stelle der ideologischen Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion tritt heute eine geoökonomische und geopolitische Rivalität zwischen dem US-Hegemon und den Revisionsmächten Russland und China, welche die US-Hegemonie in Frage stellen und ein anderes Weltordnungssystem anstreben.

Nach der allmählichen Etablierung der US-Hegemonialordnung und der sogenannten „humanitären Interventionen“ in den vergangenen dreißig Jahren sowie einer Neuauflage der Großmächterivalität des vergangenen Jahrzehnts feiert der „neue“ Kalte Krieg in der Gestalt eines Geo-Bellizismus3 zwischen China und den USA und einer zugespitzten geopolitischen Konfrontation zwischen Russland, China und den USA seine Rückkehr auf die weltpolitische Bühne.

Die Frage ist nur, ob dieser geopolitisch und geoökonomisch geführte „Kalte Krieg“ uns ebenfalls einen „langen Frieden“ beschert oder in eine globale militärische Eskalation ausartet. Heute steht ja nicht mehr und nicht weniger als die dreißig Jahre andauernde US-Hegemonie zur Disposition und der ausgebrochene Krieg in der Ukraine macht die Gefahr eines anbahnenden globalen Konflikts immer wahrscheinlicher.

Der Westen hat sich in diesem Bruderkrieg unter Ostslawen nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Statt Deeskalation hat er die angespannte Lage noch mehr eskaliert, indem er tonnenweise Waffen an die Ukraine geliefert hat, und damit Russland gezielt provoziert. Statt friedlicher Regelung des seit 2014 schwelenden Konflikts in Donbass und Luhansk haben insbesondere die Angelsachsen einen Krieg „bis zum letzten Ukrainer“ (Boris Johnson) geschürt und mit tatkräftiger Unterstützung der US-Amerikaner die beiden Seiten aufeinandergehetzt, wobei sich der Westen selber ja bis heute dezidiert weigert, die eigenen Soldaten in die Ukraine zu senden, sollten doch die Ostslawen sich gegenseitig massakrieren, uns aber davon verschonen. Statt Diplomatie bat der Westen stets einen „Dialog“ an, der von der russischen Führung nur noch als „Hohn“ und „Zumutung“ wahrgenommen wurde, führen die beiden doch seit Jahrzehnten den sogenannten „Dialog“, ohne dass die sicherheitspolitischen Interessen der Russländischen Föderation bis heute in irgendeiner Weise ernstgenommen bzw. akzeptiert wurden. In die eigene Selbstgerechtigkeit verliebt, gefällt sich die westliche Welt in einer moralisierenden Pose eines Friedensstifters, der als Krisenmitverursacher bis zuletzt nur noch gezündet hat.

Der Westen geht keine unnötigen militärischen Risiken im ausgebrochenen Krieg ein, überhäuft die russische Führung aber stets mit zahllosen Drohungen, Beleidigungen, Beschimpfungen und immer wieder mit monetären und ökonomischen Sanktionen aller Art. Eine Deeskalation des Konflikts liegt nicht im geopolitischen Interesse vor allem der USA, sind sie doch eher an einer geoökomischen Schwächung, ja Vernichtung des geopolitischen Rivalen denn an einer Friedensregelung interessiert.

Richtig ist aber auch, dass Putin sich zu diesem Krieg hat provozieren lassen. Hatte er aus russischer Sicht überhaupt eine andere Wahl?

(1) Russland befand sich vor dem Kriegsausbruch in einem doppelten Dilemma:

(a) Es konnte aus seiner Sicht den sicherheitspolitischen Status quo in Europa nicht mehr tolerieren, weil dann die reale Gefahr einer weiteren NATO-Expansion bestand, wodurch es sicherheitspolitisch unter Druck geraten und geopolitisch tendenziell noch mehr erpressbar wäre. Sollte Russland aber den bestehenden Status quo durchbrechen, indem es die Ukraine militärisch angreifen und anschließend besetzen würde, so könnte es sich ökonomisch einfach nicht leisten, die Ukraine allein schon vor dem Hintergrund des heruntergewirtschafteten Landes zu alimentieren, zumal die ukrainische Machtelite und der große Bevölkerungsteil mittlerweile Russland gegenüber feindselig gesinnt sind.

(b) Sollte Russland sich militärisch in der Ukraine selbst nur punktuell engagieren, würde es einerseits ein hohes geoökonomisches Risiko eingehen, indem es in einem geo-bellizistischen Konflikt mit den USA verwickelt wäre und zudem noch Sanktionen der Europäer zu befürchten hätte. Andererseits hätte Russland, sollte es seine militärische Abstinenz weiterhin aufrechterhalten, sicherheitspolitisch an Boden verloren – und zwar in alle Richtungen sowohl gegenüber dem Westen als auch gegenüber China – und hätte sich dadurch geopolitisch erst recht in ein Abseits manövriert. Vor dem Hintergrund dieses doppelten Dilemmas stellt sich die Frage: Was ist passiert, dass Russland sich für eine geopolitisch riskante und geoökonomisch selbstzerstörerische militärische Lösung entschieden hat? Vier Gründe könnten aus russischer Sicht hierfür ausschlaggebend sein: (a) Für die Umsetzung des Minsker Abkommens vom 12. Februar 2015 wurden keine Chancen mehr eingeräumt. Vielmehr hat sich (b) die Gefahr der Eskalation des Konflikts dramatisch erhöht, nachdem eine massive Konzentration der ukrainischen Truppen an der Demarkationslinie beobachtet wurde, zumal (c) der Ausbau der NATO-Infrastruktur in der Ukraine de facto ununterbrochen fortgesetzt oder sogar beschleunigt wurde. Als dann Wolodimir Selenski (d) auf der Münchener Sicherheitskonferenz unter den stehenden Ovationen u. a. mit Anschaffung der Atomwaffen gedroht hat, da platzte offenbar der russischen Führung der Kragen und es fand womöglich kurzfristig eine völlige Neubewertung der Sicherheitsgefährdung und der bereits stattgefundenen militärischen Vorbereitungen, welche der Entscheidung zu einer militärischen Invasion den letzten Stoß gab. Seitdem wurde offenbar der militärischen Aktion den absoluten Vorrang vor allen anderen geoökonomischen Bedenken und Risiken eingeräumt.

(2) Geoökonomisch stand es von vornherein auf verlorenen Posten. Aus finanzpolitischer, monetärer und außenwirtschaftspolitischer Sicht ist dieser Krieg für Russland schlicht verantwortungslos, wenn nicht gar ein Wahnsinn. Das wusste die russische Führung selber ganz genau. Noch am 11. Oktober 2021 löste Dmitrij Medvedev – RF-Präsident

(2008-2012) und der langjährige Premier (2012-2020) – mit seinem in der Zeitung „Kommersant“ veröffentlichten Artikel „Warum Kontakte mit der gegenwärtigen ukra-inischen Führung sinnlos sind“ eine lebhafte Debatte in der russischen und ukrainischen Öffentlichkeit aus. Darin vertrat er mit Bezug auf die Ukraine-Krise womöglich auch im Namen der russischen Führung die Auffassung, dass „wir solange warten können, bis eine neue ukrainische Führung an die Macht gelangt, die nicht auf die totale Kon-frontation gegen Russland bis an die Schwelle zum Krieg zielt. Russland kann warten. Wir sind geduldige Menschen (Россия умеет ждать. Мы люди терпеливые).“

Medvedevs Beteuerungen waren weder ein plötzlich entdeckter Pazifismus der russi-schen Führung noch eine Irreführung der Öffentlichkeit, sondern eine verklausulierte Selbstbezichtigung der eigenen geoökonomischen Ohnmacht. Denn „sollte Russland dazu gezwungen sein“ – schrieb ich in meinem Aufsatz „Kampf um die Ukraine“4 be-reits am 18. Oktober 2021 -, „einen Krieg gegen die Ukraine – warum auch immer – führen zu müssen, so will es ihn zwar nicht verlieren, kann es sich aber nicht leisten, ihn zu gewinnen. In diesem geopolitischen Dilemma steckt die geoökonomische Ohnmacht Russlands.

(3) Die Russländische Zentralbank war darüber hinaus auf die finanzielle Repression des Westens nur unzulänglich vorbereitet. Indem die RF-Zentralbank seit 2020 ihre weiteren Goldankäufe gestoppt und stattdessen auf die Vergrößerung der Währungsreserven gesetzt hat, hat sie die falschen Prioritäten gesetzt und ihre monetäre Feuerkraft wirkungslos gemacht. Offenbar hat sie damit nicht gerechnet, dass der Westen gegen die russische Notenbank Sanktionen verhängt und ihre Währungsreserven einfriert. Nun steht sie jetzt vor dem Scherbenhaufen ihrer dilettantischen Währungsreservepolitik. Ob der Westen mit seinen Finanzsanktionen und seinem Wirtschaftskrieg gegen Russland Erfolg haben wird, ist dessen ungeachtet noch lange nicht ausgemacht. Weder der Zusammenbruch der russischen Wirtschaft noch ein Machtwechsel infolge der ökonomischen Pression noch Kriegsbeendigung gegen den erklärten Willen der russischen Führung ist garantiert.

(4) Geostrategisch stand Russland infolge einer unterstellten NATO-Expansion und wegen einem de facto fortgesetzten Ausbau der NATO-Infrastruktur sowie eines – wie Putin es stets zu sagen pflegt – „Anti-Russlands“ in der Ukraine mit dem Rücken zur Wand. So gesehen, war der Ausbruch des Krieges aus russischer Sicht unvermeidbar und aus amerikanischer Sicht voraussehbar, sodass die US-Amerikaner gar keine geheimdienstlichen Informationen brauchten, um einen Kriegsausbruch voraussehen zu können. Es ging ihnen eben nicht um das >Ob<, sondern allein um das >Wann<.

(5) Hat sich zurzeit des „Kalten Krieges“ eine Eindämmungs- und Abschreckungsstrategie gegen die Sowjetunion durchgesetzt, so verfolgt der Westen heute unter Führung der USA spätestens mit dem Kriegsausbruch am 24. Februar 2022 eine geoökonomische Isolationsstrategie gegen Russland mittels einer monetären und finanziellen Repression. Kann diese Strategie auf Dauer erfolgreich sein? Zwei Gründen sprechen dagegen: (a) Der Westen verliert infolge eines ökonomischen Erwachens Asiens und fulminanten Aufstiegs Chinas zur geoökonomischen Supermacht zunehmend und mit wachsender Tendenz an ökonomischer und technologischer Vormachtstellung in der Welt, sodass Russland de facto weder ökonomisch noch monetär isoliert werden kann; (b) Statt auf Verhandlungen zu setzen, werden die vom Westen erlassenen Sanktionen zur Einschüchterung Russlands durch Drohungen, Beschimpfungen, Diffamierungen und Verunglimpfungen der russischen Führung begleitet. Mit einer solchen Vorgehensweise schließt der Westen automatisch jede diplomatische Lösung des Konflikts aus und betreibt mit seiner Isolationsstrategie im Grunde die eigene diplomatische Selbstisolierung. Eine solche Strategie kann nicht funktionieren und ist von vornherein zum Scheitern verurteilt.

(6) Der eigentliche Gewinner des Sanktionskrieges gegen Russland sind die USA, und zwar in alle Richtungen: (a) Sie schwächen Europas Wirtschaft, da diese mit Russlands Ökonomie viel enger vernetzt ist. (b) Sie stärken dabei ihre eigene ökonomische Wettbewerbsfähigkeit und geoökonomische Potenz. (c) Die USA werden für die EU-Europäer sicherheitspolitisch noch wichtiger und umso bedeutsamer sein, je mehr die Angst vor der „russischen Gefahr“ geschürt wird. (d) Die EU-Europäer werden von den USA geostrategisch noch mehr abhängig sein und dadurch noch enger an die Pax Americana gebunden. Damit erzielen die USA gegenüber den

EU-Europäern mit der westlichen Sanktionspolitik einen dreifachen Effekt: einen geoökonomischen, sicherheitspolitischen und geostrategischen. Mehr noch: Die USA werden dann nicht so sehr Russland von Europa, als vielmehr umgekehrt Europa von Russland isolieren, wodurch sie ökonomisch vor allem Deutschland treffen werden, da es energiepolitisch und ökonomisch mit Russland am engsten vernetzt ist. Auf jedem Falle profitieren die USA innerhalb der westlichen Allianz am meisten zu Lasten Europas (insbes. Deutschlands). Das würde aber bedeuten, dass der ausgebrochene Finanz- und Wirtschaftskrieg gegen Russland vor allem dem europäischen Teil des Westens, am wenigstens aber den USA, schaden wird.

(7) Statt der Eindämmungsstrategie des „Kalten Krieges“ setzt der Westen auf eine Isolationsstrategie und verbaut sich damit, wie gesagt, jede Möglichkeit auf den Gegner auf diplomatischem Wege Einfluss zu nehmen. Diese Isolationsstrategie ist eine Anti-Eindämmungsstrategie. Sie wirkt eskalierend, ihr fehlt im Gegensatz zur Eindämmung jene Kontrollierbarkeit und Voraussagbarkeit des Handelns, die erforderlich wären, die eskalierenden Machtexzesse einzudämmen und nicht in eine militärische – wenn nicht gar – nukleare Konfrontation ausarten zu lassen. Dadurch wird die Zukunft unberechenbar, unvorhersehbar und folglich militanter. Man darf einen geopolitischen Rivalen, der dazu noch im Besitz einer „nuklearen Triade“ ist, nicht zur Wand drücken, damit er sein Gesicht verliert. Das birgt in sich die Gefahr von Machtexzessen, die zur Vernichtung aller – eingeschlossen die eigene Selbstvernichtung – führen könnte. Eine ökonomisch, finanziell und medial geleitete Isolationsstrategie führt darum nur zu einer gefährlichen Eskalationsspirale mit unkalkulierbarem Ausgang.

Resümierend können wir folgendes festhalten: Russland lässt sich nicht ohne weiteres ökonomisch oder monetär unter Druck setzen, sonst wäre es gar keine Großmacht und hätte längst seine Kriegshandlungen abgebrochen. Russland kann man nicht mit Krieg drohen, sonst käme es zu einer nuklearen Eskalation. Russland lässt sich allein zur Diplomatie bewegen, und zwar erst dann, nachdem es entweder im Krieg in der Ukraine seine militärischen Ziele erreicht oder vom Westen die Zusicherung erhalten hat, dass seine sicherheitsstrategischen Forderungen nicht nur ernstgenommen, sondern auch akzeptiert werden.

Der Westen muss sich entscheiden, was er will: Folgt er weiterhin der Logik der Eskalation, so folgt er letztlich der Logik der Sanktionen, die mit zunehmender Tendenz in einen unkontrollierten totalen Wirtschaftskrieg und schließlich in einen militärischen Konflikt mit gravierenden Folgen für den Weltfrieden ausarten könnten. Folgt er hingegen der Logik der Deeskalation, so folgt er unweigerlich der Logik der Macht wider die Logik des Rechts. Beides gleichzeitig wird es nicht geben: Entweder eine Deeskalation im Sinne der Machakkumulation des geopolitischen Rivalen bei gleichzeitiger Rechtsdurchbrechung oder das Beharren auf Recht und Gerechtigkeit bei gleichzeitiger Zuspitzung und weiterer Eskalation des Konflikts zwischen Russland und dem Westen. Wer am längeren Hebel sitzt, wird erst die Zukunft zeigen. Die historische Erfahrung lehrt uns aber schon jetzt: Die Logik der Geschichte ist die Logik der Macht, nicht die des Rechts.

Anmerkungen

1. Kennan, G. F., Bemerkungen zur Politik der UdSSR, in: Die Amerikanische Rundschau 4 (1948), 3-17, 9.
2. Bergstraesser, A., Über die Weltpolitik der Gegenwart, in: Bodensieck, H. (Hrsg.), Probleme der Weltpolitik. 1945-1962. Stuttgart 1963, 2.
3. Silnizki, M., Geo-Bellizismus. Über den geoökonomischen Bellizismus der USA. 25. Oktober 2021, www.ontopraxiologie.de.
4. Silnizki, M., Kampf um die Ukraine. Im Würgegriff von Geopolitik und Tradition. 18. Oktober 2021, www.ontopraxiologie.de.

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