Verlag OntoPrax Berlin

Russische Verfassungswirklichkeit

Kritik und Gegenkritik

Übersicht

1. Isoliertes Denken
2. „Putins Russland“ aus Sicht der „russischen Liberalen“
3. Gefangen in einem unlösbaren Dilemma

Anmerkungen

„Eine Verfassung ist kein bloß Gemachtes: sie ist die Arbeit von Jahrhunderten
… Das Volk muss zu seiner Verfassung das Gefühl seines Rechts und seines
Zustandes haben, sonst kann sie zwar äußerlich vorhanden sein, aber sie hat
keine Bedeutung und keinen Wert.“
(Hegel, Philosophie des Rechts, § 274)

1. Isoliertes Denken

Die zunehmende geistige Uniformität und (außen)politische Eindimensionalität sind das Kennzeichen unserer Zeit. Sie spiegeln die Entwicklung unserer Massengesellschaft wider, die „eine gewisse Einförmigkeit des intellektuellen Diskurses“1 bestimmt und ein >isoliertes Denken< fördert. >Isoliert< ist es dann, wenn es einen Erkenntnisgegenstand, der untersucht, bewertet und/oder analysiert wird, monokausal und losgelöst von zahlreichen anderen ihn beeinflussenden und auf ihn einwirkenden Prozessen und Faktoren betrachtet.

Innenpolitik wird bei einem solchen Denken von Außenpolitik, innerstaatliche Prozesse von geo- und sicherheitspolitischen Entwicklungen, Innenwelt von Außenwelt getrennt und davon unabhängig analysiert.

Eine derart isolierte Analyse wird meistens durch die Vorherrschaft vorgefasster und/oder verordneter Denkmuster bei einer gleichzeitig ideologisch verstellten und verzerrten Wahrnehmung eines konkret stattgefundenen und/oder immer noch stattfindenden Prozesses geprägt. Man kann dann geradezu von der Ausbildung einer geistigen Monokultur sprechen, in welcher die Unaufgeklärtheit, intellektuelle Unredlichkeit, selbstbezogene Beweihräucherung, axiologische Fixiertheit und nicht zuletzt enttäuschte Träume und Illusionen eng miteinander verwoben sind.

Dieses geistesverwirrte Wischiwaschi-Denken bezieht sich in ihrem Realitätsverständnis nicht auf das reale Vorhandensein der Welt, sondern auf das durch das eigene Selbstbild erzeugte Weltbild. Genau diesen Eindruck hat man bei der Lektüre eines am 21. Oktober 2025 in Foreign Affairs veröffentlichten Beitrages „Putins All the Way Down“.

Der Verfasser heißt Joshua Yaffa, der in Moskau lebt und für englischsprachige Medien wie den New Yorker, den Economist, das New York Times Magazine, den National Geographic, die Bloomberg BusinessweekNew Republic und Foreign Affairs schreibt.

In dem eben veröffentlichten Beitrag behandelt Yaffa ein an und für sich wichtiges Thema, das er im Untertitel wie folgt verdeutlicht: „How Russia Was Remade“ (Wie Russland neu erschaffen wurde). Gemeint ist die Neuerschaffung Russlands seit Putins Machtübernahme. Die Irrungen und Wirrungen der 1990er-Jahre waren in der Tat derart dramatisch, dass man sich fragen muss: Wie hat Putin es mit seiner Präsidentschaft seit der Jahrhundertwende bis heute (2000-2008 und 2012-2025 ff.) geschafft, dieses Riesenreich zu stabilisieren und auf die Beine zu stellen.

Noch im Jahr 1999 spekulierte Thomas Graham Jr. über eine „Welt ohne Russland“ in seiner gleichnamigen Studie „World without Russia?“ Der Tenor der Studie war vor dem Hintergrund einer desaströsen wirtschaftlichen, sozialen und politischen Lage Russlands gegen Ende des 20. Jahrhunderts nicht gerade schmeichelhaft.2 Russland lag gut sieben Jahren nach einem gescheiterten Transformationsprozess am Boden und der betörende Todesgesang der Sirenen lockte es in den Abgrund.

2. „Putins Russland“ aus Sicht der „russischen Liberalen“

Yaffa geht es freilich in seinem Beitrag nicht um die Erforschung des Niedergangs Russlands in den 1990er-Jahren und dessen Wiedererstarkung im ersten Viertel des 21. Jahrhunderts. Ihm geht es um etwas ganz anderes. Er beklagt vielmehr den Niedergang „einiger Freiheiten“, die in den 1990er-Jahren noch bestanden und prangert die Rückkehr der „autoritären Strukturen“ in „Putins Russland“ an.

Ohne konkret zu werden, schreibt Yaffa distanziert: Der Staat pflegte einige Freiheiten, unterdrückte jedoch die anderen; er spielte mit Demokratie, hielt aber politisch alle Hebel in der Hand. Er öffnete dem Kapitalismus die Türen, lies aber zu, dass die Wirtschaft von Oligarchen, Insidern und korrupten Beamten ausgebeutet werde. Und er tolerierte ein gewisses Maß an einem resoluten, schmutzigen Journalismus, auch wenn er Reporter Druck und Drohungen aussetzte.

Zwei Veröffentlichungen legt Yaffa bei seinem Versuch, den stattgefundenen politischen Wandel in Russland unter Putin darzustellen, zugrunde: Das am 3. Juni 2025 erschienene Buch „Our Dear Friends in Moscow: The Inside Story of a Broken Generation“ zweier russischer Journalisten und Eheleute, Andrej Soldatow und Irina Borogan und das Werk „Ideology and Meaning-Making under the Putin Regime“ der französischen Historikerin und Politikwissenschaftlerin, Marlene Laruelle.

Während Soldatow/Borogan, die nach dem Kriegsausbruch in der Ukraine 2022 Russland in Richtung London fluchtartig verlassen haben, in ihrem Buch den „Verrat der Intellektuellen“ (treason of the intellectuals) beklagen, setzt sich Laruelle mit „Putins Bemühungen“ auseinander, eine sog. „neue national-imperiale Ideologie zu konstruieren“ (Putin’s effort to construct a new national-imperial ideology), die angeblich „von oben verordnet wird“.

Selbst die eifrigsten Anhänger Putins wären sehr überrascht, zu hören, dass es in Russland eine von Putin verordnete „national-imperiale Ideologie“ gäbe, beklagen sie doch seit Jahr und Tag eine fehlende Staatsideologie in Russland, die im Übrigen laut der russischen Verfassung (Art. 13) verboten wird.

Wie auch immer, Yaffa zieht anhand der beiden Werke den Schluss, dass der Ukrainekrieg und die Konfrontation mit dem „Westen“ „alles andere als willkürlich oder irrational sind“, sondern von langer Hand geplant seien und sich „aus dem langen, sich entwickelnden Zusammenspiel zwischen Putins System und der Bevölkerung, die es regiert,“ ergeben.

Isoliertes Denken zeigt sich hier geradezu paradigmatisch in seiner ganzen entwaffnenden Naivität, dessen er sich nicht einmal bewusst ist. Wenn man die innenpolitischen Entwicklungen von äußeren geo- und sicherheitspolitischen, geoökonomischen und ideologischen Einwirkungen, denen Russland in den 1990er-Jahren und danach massiv ausgesetzt war, ausblendet, dann muss man sich darüber nicht wundern, dass man zu solchen „Erkenntnissen“ gelangt.

Woher soll aber eine realitätsadäquate Analyse auch kommen, werden wir doch ständig zwischen den Mühlsteinen medialer, sich als „Wahrheit“ gebärender Propaganda regelrecht zerrieben? Die vermeintlichen „Erkenntnisse“ verdünnen sich dann bei näherem Hinsehen meistens zu einer – aus bloßen Meinungen komprimierten – „Perspektive, ungeschützt gegen den Einwand, auch sie sei nichts als Meinung“4.

Mit Verweis auf die beiden Veröffentlichungen schildert Yaffa die Entwicklung Russland unter Putin in düstersten Farben. Anfangs genossen Russen in den 1990er-Jahren gewisse Freiheiten, schnell begannen aber Enttäuschung und Resignation, die mit der fehlenden Hoffnung verbunden war, dass Russland sich wie der Westen und Europa entwickeln würde.

Dass diese Hoffnung womöglich auf falschen Vorstellungen vom „Westen“ seitens der sog. „russischen Liberalen“ beruhte und vielleicht auf einen von Gajdar und Co. wirtschaftstheoretisch und wirtschaftspolitisch dilettantisch durchgeführten Transformationsprozess zurückzuführen ist3, davon ist weder im Buch der geflüchteten russischen Oppositionellen noch in Yaffas Beitrag die Rede, von Laruelles ideologischen Konstrukten ganz zu schweigen.

Offenbar fehlt den Journalisten das erforderliche Fachwissen, das die komplexen geoökonomischen und geopolitischen Prozesse der 1990er-Jahre zu beurteilen vermag. Stattdessen wird Putin beschuldigt und für alles Mögliche und Unmögliche verantwortlich gemacht. Die Entwicklungen werden, wie nicht anders zu erwarten, deskriptiv und nicht analytisch folgendermaßen dargestellt:

Im Inland brach die Wirtschaft zusammen, in Tschetschenien wütete ein Bürgerkrieg und der Terrorismus erreichte Moskau. Die Regierung, die immer mehr gegen den „Westen“ polterte, schottete sich nach innen ab. Während Putins zweiter Amtszeit hatte sich das Land einer Art „Ethnonationalismus“ verschrieben und steuerte auf einen Krieg im In- und Ausland zu. Die „russischen Liberalen“, zu denen Soldatow/Borogan ihre „dear friends in Moscow“ zählen, werden ihrer Schilderung zufolge durch den politischen Wandel in Russland auseinandergerissen. Einige fliehen wie sie, andere werden zu Komplizen des „immer aggressiveren Staates“. Die Mitte kann sich nicht halten.

Die Modernisierung nach westlichem Vorbild wurde zugunsten einer „revanchistischen Doktrin“ beiseitegeschoben, die „Russlands antiwestliche und antiliberale Haltung“ verstärkte, zitiert Yaffas aus Laruelles Werk. Putin habe ihrer Meinung nach „die geopolitischen Missstände“ – sei es wegen der „Farbrevolutionen“ im postsowjetischen Raum oder infolge der Integration Osteuropas in die politischen und militärischen Strukturen des „Westens“  angeblich „zu einer neuen Vision des russischen Staates“ sublimiert.

Der Kreml habe die vom „Westen geführte liberale Ordnung“ zunehmend als „Deckmantel für den US-Imperialismus und die militärische Hegemonie“ gesehen, die Russland zu untergraben suchten. Diese Annahmen trieben Putin zu dem zu werden, was Laruelle „einen Architekten der Destabilisierung und des Chaos“ nennt.

Auch wenn der Krieg zu einem konsolidierten Staat mit einer klaren ideologischen Botschaft geführt habe, bedeute das nicht, dass Putin oder „sein Herrschaftssystem“ allmächtig seien. Laruelle beschreibt Putins Herrschaft als „konsolidierten personalistischen Autoritarismus“ – „eine Form autokratischer Regierungsführung, die sich vom offenen Totalitarismus unterscheidet“ usw. usf.

Dieser ganze Mischmasch aus Vorwürfen, Unterstellungen und undefinierten Begriffen und Formulierungen, Anhäufung von zahlreichen An- und Beschuldigungen überdecken nicht nur die eigene intellektuelle Unbeholfenheit, die russische Verfassungswirklichkeit in ihrer ganzen Komplexität zu begreifen.

Diese Wirrnis verstellt auch den Blick auf die Hintergründe des Ukrainekonflikts und ignoriert aus Inkompetenz und geopolitischem Analphabetismus die seit dreißig Jahren andauernde geo- und sicherheitspolitische Konfrontation zwischen Russland und dem „Westen“.

Auch das Klagelied vom illiberalen Russland ist nicht neu. Neu sind nur die Autoren, die darüber schreiben. Die Frage ist aber nicht, ob Soldatow, Borogan, Laruelle und Co. mit ihrer Kritik an der Entwicklung von „Putin Russland“ zum „aggressiveren Staat“, „Ethnonationalismus“, „Antiliberalismus“, „Architekten der Destabilisierung und des Chaos“, „autokratischer Regierungsführung“ und „personalistischen Autoritarismus“ recht haben oder nicht.

Mit diesen Worthülsen kann man nämlich nicht viel anfangen. Viel wichtiger ist vielmehr zu fragen, von welchem ideologischen und weltanschaulichen Standpunkt aus die „liberalen“ Kritiker „Putins Russland“ beurteilen. Nicht zuletzt die enttäuschten Träume und Illusionen der 1990er-Jahre sind ausschlaggebend für die heutige Abrechnung mit Putin seitens der „russischen“ und anderen selbsternannten „Liberalen“.

3. Gefangen in einem unlösbaren Dilemma

Eine der einflussreichsten und streitbarsten Persönlichkeiten der 1990er-Jahre war der ehem. russischer Magnat und Oligarch, Michail Chodorkowski (geb. 1963), der durch den Ölkonzern Yukos zu einem der reichsten Männer Russlands aufstieg.

Wie kein anderer verkörperte er jene Stimmung im Russland der 1990er-Jahre, die man mit dem westdeutschen Begriff der Nachkriegszeit „Westorientierung“ bezeichnen könnte. Die 1990er-Jahre waren die Zeiten einer beinahe bedingungslosen und uneingeschränkten „Westorientierung“ Russlands.

Noch viele Jahre später schreibt Chodorkowski, der 2013 nach einer zehnjährigen Haft freigelassen wurde, in einem FAZ-Artikel „Putin erhöht den Einsatz bis ins Endlose“ am 25. Oktober 2016: „Für Russland kann es … einfach kein anderes Schicksal geben als ein europäisches“ und „das Land“ werde sich „unweigerlich wieder dem Westen als Modernisierungsquelle zu wenden“5.

Diesem blinden Glauben an den „Westen“ sind die russischen Westler, die sich als „Liberale“ verstehen, bis heute treu geblieben. „Der Sprung der Menschheit aus dem Reich der Notwendigkeit in das Reich der Freiheit“ (Friedrich Engels) wurde nach dem Untergang des Sowjetkommunismus nicht mehr marxistisch, sondern westorientiert aufgefasst.

Bis heute hegen sie deswegen Groll auf Putin und können ihm nicht verzeihen, dass er ihre Träume, Sehnsüchte und Illusionen vom kommenden westlichen „Reich der Freiheit“ zerstört habe. Sie wollen immer noch nicht wahrhaben, dass „das Land“ sich eben nicht „unweigerlich wieder Westen“ wenden müsse und dass Russland seinen eigenen Weg unabhängig sowohl vom Marxismus-Leninismus als auch vom „westlichen Liberalismus“ gehen will und kann.

Russlands „Westorientierung“ war immer schon eine Fata Morgana. Die russische Geistes-, Rechts- und Verfassungsgeschichte lehren uns etwas ganz anderes: Russland geht seinen eigenen, „ein europäisches Schicksal“ transzendierenden Weg. Ausgerechnet die Entwicklung der 1990er-Jahre ist der beste Beweis dafür, warum die sog. „Liberalen“ versagt haben und warum eine Entwicklung zu einer rechtsstaatlich fundierten Verfassungswirklichkeit nicht stattgefunden hat.

Das Russland der 1990er-Jahre befand sich nicht nur in einem Zerfallsprozess an den Außenrändern des Reiches, sondern auch in einem rechtsfreien Schwebezustand bei einer gleichzeitigen, dem Zentrum entglittenen Macht. Wer diesen Machtschwund des Zentrums als „Liberalismus“ in Russland verklärt, weiß nicht, wovon er redet.

Der europäische Liberalismus ist per definitionem eine Rechtsidee, die „unveräußerliche“, „subjektive Rechte“ proklamiert, deren Träger selber darüber befinden können, wie ihre Rechte rechtsstaatlich und verfassungsrechtlich zu konkretisieren sind und in welcher Weise sie verletzt sind und geschützt werden sollen5.

Das Russland der 1990er-Jahre kennt hingegen keine rechtsgebundene Freiheit, sondern ein rechtsentbundenes Machtvakuum – ein Übergangszustand zwischen einem Machtschwund des Zentrums und einer zunehmenden, durch zahlreich entstandene regionale, individuelle und gruppenbezogene Machtzentren verursachten Machtzersplitterung, in dem die „subjektiven Rechte“ unmöglich garantiert, geschweige verteidigt werden konnten.

Diesen weit fortgeschrittenen, die Einheit Russlands gefährdenden Zerfallsprozess hat Putin Anfang des 21. Jahrhunderts nach seiner Machtübernahme zunächst gestoppt und dann radikal umgedreht. Die wiedergewonnene Machtkonzentration des Zentrums erfolgte im Sinne der tradierten russischen Herrschaftsauffassung und zu Lasten der im Sinne der (liberalen) Rechtsidee verstandenen rechtsgebundenen Freiheit, die im Russland der 1990er-Jahre – was immer wieder zu betonen ist – zu keiner Zeit rechtlich fundiert war.

Die Rückkehr zu den wirren Zeiten der 1990er-Jahre, wovon die russischen Westler, die dabei von Europa massiv unterstützt werden, immer noch träumen, würde die Einheit Russlands erneut gefährden. Putin hat wiederum aus seiner Sicht erfolgreich, das Herrschaftsprinzip der russischen Staatlichkeit wiederhergestellt.

Als Konstante der russischen Rechts- und Verfassungsgeschichte bleibt dieses Herrschaftsprinzip voll intakt und bis auf weiteres unangefochten bestehen. Diese Erkenntnis hat eine unmittelbare Auswirkung auf die russische Gegenwart. Die russische Staatlichkeit steckt nämlich in einem Dilemma: Tradition oder Moderne, Zentralisation oder Dezentralisation, geopolitische Priorisierung oder innerstaatliche Liberalisierung? Beides gleichzeitig wird es nicht geben können.

Gewinnt die innerstaatliche Liberalität an Boden, ist die Zentralsteuerung des russischen Machtraumes akut gefährdet. Dass eine solche Entwicklung alles andere als abwegig erscheint, beweist Gorbačevs Perestrojka, an deren Ende der Zerfall des Sowjetimperiums stand.

Gorbačevs selbst hat im Übrigen das mit der russischen Gegenwart vergleichbare Dilemma seiner Perestrojka zwar viel zu spät, aber immerhin ganz genau erkannt, als er auf einem Treffen mit Vertretern der Intelligencija Ende November 1990 zugegeben hat: Er könne entweder fortfahren, „die Sowjetunion zu reformieren“, oder er müsse versuchen, „sie zusammenzuhalten; beides gleichzeitig sei ihm jedoch nicht möglich.“5

Die innerstaatliche „Liberalität“, sprich: Autonomisierung bzw. Selbstorganisation verschiedener Regionen Russlands, wird unweigerlich zur Dezentralisierung und folglich zur Schwächung der Zentralsteuerung des russischen Machraumes führen, was zum Zerfall Russlands führen könnte.

Dieses geopolitische Ziel der Zerschlagung Russlands verfolgen bis heute die transatlantischen Machteliten, wobei die russischen Westler von ihnen instrumentalisiert werden. Ob sie das begreifen, ist indes eine andere Frage.

Nur eines ist klar: Ohne die Kenntnisse der geo- und sicherheitspolitischen Prozesse bleiben auch innerstaatliche Entwicklungen Russlands unverstanden. Russland als „autoritär“, „autokratisch“, „aggressiv“, „revanchistisch“, „neoimperialistisch“ usw. usf. zu stigmatisieren und zu denunzieren, hilft da nicht weiter und ist für das Verständnis der russischen Verfassungswirklichkeit weder dienlich noch hilfreich.

Anmerkungen

1. Riedweg, C., Mit Stoa und Platon gegen die Christen: Philosophische Argumentationsstrukturen in Julian
contra Galilaeos, in: Fuhrer, Th. u. a. (Hrsg.), Zur Rezeption der hellenistischen Philosophie in der Spätantike.
Stuttgart 1999, 57 f.
2. Vgl. Silnizki, M., „Eine Welt ohne Russland?“ Die 1990er-Jahre und die Gegenwart. 28. April 2024,
www.ontopraxiologie.de.
3. Näheres dazu Silnizki, M., Geoökonomie der Transformation in Russland. Gajdar und die Folgen. Berlin
2020.
4. Adorno, Th. W., Meinung – Wahn – Gesellschaft, in: ders., Eingriffe. Frankfurt 2003, 147-172 (161 f.).
5. Maus, I., Interview: Wer den Weltstaat etablieren will, riskiert den Weltkrieg (2000), in: des.,
Menschenrechte, Demokratie und Frieden. Perspektiven globaler Organisation. Berlin 2015, 195-209 (195).
6. Mommsen, M., Wohin treibt Russland? Eine Großmacht zwischen Anarchie und Demokratie. München1996, 138.

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