Verlag OntoPrax Berlin

Trumps „Great Game“

Zwischen Destruktion und Transformation

Übersicht

1. Trump versus Putin: Hegemonialmacht versus Kontinentalmacht
2. Ein historischer Rekurs über den machtpolitischen Dilettantismus
3. Gefangen im geopolitischen Dreieck

Anmerkungen

Die USA sind auf dem besten Weg „a rogue superpower“ zu werden, die „neither internationalist
nor isolationist but aggressive, powerful, and increasingly out for itself“ ist.
(Die USA sind auf dem besten Weg „eine Schurken-Supermacht“ zu werden, die „weder internationalistisch
noch isolationistisch, sondern aggressiv, mächtig und zunehmend auf sich selbst aus“ ist)1


1. Trump versus Putin: Hegemonialmacht versus Kontinentalmacht

„Die Weltgeschichte ist reich an Beispielen für Bündnisse und Koalitionen von Männern und Mächten, die einander gestern noch verabscheuten, heute ewige Freundschaft schworen, um sich schon morgen in Zwietracht und Hass zu trennen“, schreibt Manfred Rexin über Churchill und Stalin in der Einleitung zum Werk „Die unheilige Allianz“2.

„In den Mühlen der großen Politik“3 spielen Vertrauen und Loyalität die kleinste, Opportunität und Staatsräson die zentrale Rolle. Wie im Falle Churchill und Stalin führt die Geschichte zwei Männer –Trump und Putin – zusammen, die nach Herkunft, Lebensweg und Naturell nicht gegensätzlicher sein können. Der eine ist Showman, Draufgänger und Bramarbas, der andere bedächtig und im Auftreten zurückhaltend und sich zurücknehmend.

Die beiden verkörpern zwei unterschiedliche Welten und geopolitische Ziele. Verfolgt Trump das selbsterklärte Ziel, die USA „Great Again“ zu machen bzw. die US-Hegemonie zu perpetuieren, so ist Putin geradezu davon besessen, Russland sicherer zu machen.

„Wozu brauchen wir eine solche Welt, wenn es Russland nicht mehr geben wird?“ (Зачем нам такой мир, если там не будет России?), fragte Putin einst in einem im März 2018 erschienenen Film „Weltordnung 2018“.

Als Fjodor Lukjanow (Chefredakteur der einflussreichen russischen Zeitschrift Russia in Global Affairs) bei seiner Moderation einer Valdai-Diskussion im Oktober 2018 Putin fragte, ob seine Äußerung nicht der Aussage „ nach uns kommt die Sintflut “ gleichkäme, antwortete dieser:

„Die Frage war ja, ob wir bereit sind und ob ich bereit bin, die uns zur Verfügung stehenden Waffen, einschließlich Massenvernichtungswaffen, einzusetzen, um uns zu verteidigen, um unsere Interessen zu verteidigen … Ja, in dieser Situation würden wir gewissermaßen darauf warten, dass jemand Atomwaffen gegen uns einsetzt, ohne dass wir selbst etwas tun. Der Angreifer muss freilich wissen, dass die Vergeltung unvermeidlich ist und er vernichtet wird. Und wir sind Opfer der Aggression. Wir werden als Märtyrer in den Himmel kommen, die werden aber einfach verrecken, weil sie nicht einmal Zeit haben werden, Buße zu tun.“

Sicherheit steht über alles, will Putin uns sagen. Mit diesem geradezu obsessiven Sicherheitsbedürfnis verkörpert Putin die Tradition der russisch-sowjetischen Außen- und Geopolitik, der er sich verpflichtet fühlt.4 Die Generation des „Kalten Krieges“ im Westen wusste das noch ganz genau. „Die Russen sind wiederholt vom Osten her überrannt worden und allein in diesem Jahrhundert zweimal vom Westen überfallen worden,“ schreibt George W. Ball (Staatssekretär im US-Außenministerium unter Kennedy und Johnson) 1981 und er führt weiter aus: „Sie haben eine pathologische Furcht vor Umzingelung. Wenn wir mutwillig versuchen sollten, sie zu rücksichtslosem Handeln zu verleiten, dann könnten wir am erfolgreichsten sein, wenn wir die atavistische Umklammerungsangst der Russen verstärken und sie an zwei Fronten bedrohen.“5

Putin kehrte indes im Gegensatz zur Sowjetunion nach der Stalinzeit zur traditionellen Außen- und Geopolitik des Russischen Reiches zurück, das selbst auf dem Höhepunkt seiner Macht nie eine Weltmacht war.6 Der Aufstieg der Sowjetunion zur Weltmacht hat sich erst unter Chruščov vollzogen.

Die sowjetische Außenpolitik hat zwar „ihren ursprünglichen kontinentalen Charakter nicht ganz eingebüßt, ist aber in stärkerem Maße eine Weltpolitik geworden. Bei ihrer Gestaltung wirkte sich ein gegenüber Stalin wesentlich verändertes Weltbild aus, in dem den Vereinigten Staaten und den Entwicklungsländern der Dritten Welt Schlüsselstellungen zukamen. Der Übergang von einer kontinentalen zu einer globalen Außenpolitik, den Chruščov eingeleitet hatte, ist von seinen Nachfolgern zielbewusst fortgesetzt worden. Dabei ist ein wachsendes Weltmachtbewusstsein festzustellen gewesen, von dem die sowjetische Außenpolitik unter Brežnev in verstärktem Maße bestimmt war.“7

Die sowjetische Weltmachtpolitik ist letztlich zum Verhängnis des Sowjetimperiums geworden, das 1991 klang- und geräuschlos untergegangen ist. Im krassen Gegensatz zu Putins traditioneller Außen- und Sicherheitspolitik, die infolge der geopolitischen und geoökonomischen Schwächung Russlands seit dem Ende des „Kalten Krieges“ zur sowjetischen Weltmachtpolitik auf Distanz ging, verfolgt Trump, der zum 47. US-Präsidenten wiedergewählt wurde, eine unverhohlene Expansions- und Hegemonialmachtpolitik.

Diese orientiert sich freilich nicht so sehr am messianischen Sendungsbewusstsein der US-Demokraten und nicht so sehr an den US-Sicherheitsinteressen, als vielmehr an der America-First-Politik der MAGA-Republikaner, die nichts anderes als eine geoökonomische Umdeutung des US-amerikanischen Exzeptionalismus ist.

Im Gegensatz zum traditionellen US-Exzeptionalismus gründet Trumps Hegemonialmachtpolitik nicht auf der Geopolitik des sog. „liberalen Internationalismus“, sondern auf der Geoökonomie des „aggressiven Unilateralismus“8.

„Die Sache der ganzen Menschheit ist die Sache Amerikas … Wir sind für die Aufrechterhaltung der Freiheit in der ganzen Welt verantwortlich,“ verkündete John F. Kennedy 1960, der das Credo des „liberalen Internationalismus“ prägnant wiedergibt.

Diesem Credo, das sich die US-Demokraten seit Jahrzehnten auf ihre Fahne geschrieben haben, setzt Trump den Geo-Bellizismus seiner ersten Amtszeit9 entgegen, der heute in Gestalt eines „aggressiven Unilateralismus“ auftritt.

Wie auch immer man dazu stehen mag, die US-Demokraten und die MAGA-Republikaner verfolgen heute im Grunde die gleiche Weltmachtpolitik wie jene, die zum Untergang des Sowjetimperiums geführt hat und deren Entwicklung der Feststellung des sowjetischen Außenministers, Andrej Gromyko (1957-1985), auf dem XXIV. Parteitag der KPdSU 1971 entspricht: Es gäbe „keine irgendwie bedeutende Frage …, die man heute ohne die Sowjetunion oder gar gegen sie lösen könnte“10.

Die Sowjetunion ist nicht nur eine Supermacht, sie ist „auch eine Universalmacht“, stellte Boris Meissner 1987 zutreffend fest. „In dieser Eigenschaft strebt sie die Errichtung eines >sozialistischen Weltstaates< als Vorstufe zu einer kommunistischen Weltgesellschaft in Gestalt der >klassenlosen Gesellschaft< an.“11

Wohin die Vorstellung von der Errichtung „eines >sozialistischen Weltstaates<“ geführt hat, ist heute auf dem Friedhof der Geschichte zu besichtigen. Von dieser Hybris sind auch die US-Machteliten seit dem Untergang des Sowjetreiches ergriffen. Und Trump ist lediglich ihr gelehriger Schüler, der in seinem maßlosen geoökonomischen Übereifer das Ende der US-Hegemonie herbeiführen wird.

2. Ein historischer Rekurs über den machtpolitischen Dilettantismus

Am 10. März 1939 – fünf Tage, bevor Hitler das Münchener Abkommen zerriss, – zog Stalin in seiner Rede vor dem XVIII. Parteitag der KPdSU die Konsequenzen aus der veränderten Sicherheitslage. Längst, erklärte er, tobe ein neuer imperialistischer Krieg, der im Begriff sei, zum Weltkrieg ausgeweitet zu werden.

Wie habe es geschehen können, fragte Stalin, dass Großbritannien und Frankreich – die führenden „nichtaggressiven Staaten“ – so leicht und widerstandslos ihre Positionen opferten, obwohl sie doch viel stärker seien als der faschistische „Kriegsblock der Aggressoren“? Furcht vor Revolutionen? Das sei wohl kaum die Ursache ihres Rückzugs gewesen, vielmehr müsse man damit rechnen, dass diese Mächte Deutschland und Japan in einen Krieg gegen die Sowjetunion drängten wollten. „Der Gedanke liegt nahe, man habe den Deutschen Gebiete der Tschechoslowakei als Kaufpreis für die Verpflichtung gegeben, den Krieg gegen die Sowjetunion zu beginnen, dass sich aber die Deutschen nunmehr weigern, den Wechsel einzulösen, und den Gläubigern die Türe weisen.“

Er werde aber Vorsicht walten lassen und den „Kriegsprovokateuren, die es gewohnt sind, sich von anderen die Kastanien aus dem Feuer holen zu lassen“, keine Gelegenheit geben, Russland in einen Konflikt zu verwickeln.12

In dieser in die Geschichte als „Kastanienrede“ eingegangene Parteitagsrede unterstellte Stalin den europäischen Westmächten Großbritannien und Frankreich die Absicht, Deutschland in Stellung zu bringen, um den Krieg gegen die Sowjetunion zu führen.

Auch heute stacheln insbesondere Großbritannien und Frankreich die Ukraine trotz der begonnenen Friedensgespräche zwischen den USA und Russland dazu an, den Krieg gegen Russland fortzuführen, damit diese den EU-Europäern „die Kastanien aus dem Feuer“ holt.

Dass bei einer Eskalation des Ukrainekonflikts ganz Europa in Brand gesetzt werden könnte, kümmert den französischen Präsidenten Macron und den britischen Premier Starmer ganz und gar nicht, spielen sie doch letztlich nur ein „Rollenspiel im Machtspiel“13 im Glauben auf der sicheren Seite der Geschichte zu stehen.

Diese Politamateure wissen heute genauso wie ihre Vorgänger im Jahr 1939 nicht, wie kurzsichtig und dilettantisch sie handeln. Sie gebärden sich als die Wortführer einer vermeintlich „mächtigen“, europäischen Anti-Russland-Koalition, um als Tiger zu springen und als Bettvorleger zu landen.

Weder in Paris noch in London begriff man 1939 die Bedeutung der Kastanienrede Stalins; ebenso wenig begreift die europäische Kriegspartei mit London und Paris an der Spitze auch heute die geopolitische Tragweite der stattfindenden Gespräche zwischen Trumps und Putins Mannschaften, an deren Ende (und das ist schon heute absehbar) Europa als Verlierer feststehen wird.

Trump und Putin geht es in ihren Gesprächen zuallererst um eine Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen vor dem Hintergrund der geopolitisch und geoökonomisch veränderten Kräfteverhältnisse in Eurasien und in Anbetracht einer wachsenden und unaufhaltsamen Etablierung einer militärstrategischen Partnerschaft zwischen Russland, China, Iran und Nordkorea.

Am wenigsten geht es den beiden Kontrahenten um die Ukraine und schon gar nicht um das in der Kriegshysterie versunkene Europa. Umso mehr nimmt Trumps „Great Game“ zur Neuordnung ganz Eurasiens an Bedeutung zu, wobei ein neues Kräftemessen im Dreieck Russland-China-USA eine Renaissance erlebt.

Wie die Warnung der britischen Botschaft in Moskau im Februar 1939 in London in unverantwortlicher Weise ignoriert wurde, so werden die russisch-amerikanischen Gespräche heute von den EU-Europäern nicht nur ignoriert, sondern auch regelrecht torpediert.

Die britische Botschaft in Moskau mahnte die Londoner Regierung sich nicht darüber zu täuschen, „dass die sowjetische Politik im Wesentlichen eine Politik des Opportunismus und des Realismus ist, und es unwahrscheinlich ist, dass sie … durch ideologische und moralische Überlegungen beeinflusst werden kann, sondern nur durch die unmittelbaren Interessen des sowjetischen Staates und seiner gegenwärtigen Machthaber.“14

Chamberlain und sein Kabinett dachten vor allem an ideologisch-weltrevolutionäre Zielsetzungen der Sowjets und man hielt es in London für völlig ausgeschlossen, dass zwei ideologische Todfeinde Nazideutschland und die Sowjetunion sich verständigen könnten, von denen die eine nicht müde wurde, „Lebensraum im Osten“ auf Kosten der anderen zu begehren.

Die Sowjets verfolgten ihrerseits ein Doppelspiel. Sie verhandelten gleichzeitig mit Hitler und mit den Westmächten über ein Bündnis gegen Hitler. Diese sowjetische Doppelstrategie beschrieb Stalins Biograf Isaac Deutscher mit den Worten: „Was Stalin jetzt beabsichtigte, könnte nur mit ungewöhnlichem taktischem Geschick zu einem guten Ende geführt werden. Er musste jetzt eine Strecke mit den Hasen rennen und mit den Hunden jagen; er musste sehr darauf bedacht sein, dass die Hasen nicht merkten, dass er mit den Hunden jagte.“15

Als Marschall Woroschilow am 14. August 1939 von den Chefs der nach Moskau entsandten Militärmissionen Frankreichs und Großbritannien eine klare Antwort auf die für die Sowjets „ganz kardinale Frage“ wissen wollte, ob die Rote Armee im Kriegsfalle ein Durchmarschrecht durch Polen und Rumänien genießen werde, um den deutschen Truppen außerhalb der Grenzen des Sowjetstaates entgegentreten zu können, bekam Moskau vier Tage später am 18. August das kategorische Nein der polnischen Regierung.

Stalin wurde sodann völlig klar, „wer denn nun eigentlich, um im Bilde zu bleiben, der Hund und wer die Hasen sein sollten“, und er entschied sich daraufhin endgültig für den Pakt mit Hitler, der am 23. August unterzeichnet wurde.

Der Pakt verschaffte der Sowjetunion drei entscheidende Vorteile: (1) einen Zeitgewinn zur Festigung der durch die Säuberungen geschwächten Roten Armee; (2) die Vorverlegung der Frontlinie eines möglichen Zusammenstoßes mit Deutschland nach Westen und (3) die Zurückgewinnung jenes Territoriums, das Russland am Ende des Ersten Weltkrieges eingebüßt hat.

Im Nachhinein erscheint das Verhalten der beiden Westmächte England und Frankreich nach Auffassung von Manfred Rexin „aus heutiger Sicht irreal und dilettantisch“16. Diesen Dilettantismus legen die EU-Europäer unter Führung von England und Frankreich auch heute an Tag bei der diplomatischen Regelung des Ukrainekonflikts.

Heute wie damals machen sie einen kardinalen Fehler: Sie wieg(t)en sich in der trügerischen Sicherheit, dass der „Konflikt der Ideologien … schon den Ausgleich von Machtinteressen verhindern“ werde (ebd.) und dass ein möglicher Krieg gegen die Sowjets (damals) bzw. die Fortsetzung des Ukrainekrieges (heute) einer diplomatischen Regelung vorzuziehen sei.

Wer wie die EU-Europäer glaubt, mehr vom Krieg als vom Frieden profitieren zu können, weil die Ukraine ihnen „die Kastanien aus dem Feuer holt“, wiegt sich in der trügerischen Sicherheit, ungeschoren davonzukommen, und wird in einer umso grausamen Weise eines Besseren belehrt, sollte Russland als Reaktion auf die Eskalation des Konflikts einen härteren militärischen Gang einlegen.

3. Gefangen im geopolitischen Dreieck

Während die EU-Europäer Russland als ideologischen Feind ansehen, Putin als „Diktator“ und „Kriegsverbrecher“ beschimpfen und sicherheitspolitisch auf Russland wie das Kaninchen auf die Schlange starren, indem sie sich absurderweise einreden, dass es morgen, übermorgen, spätestens aber 2029/30 einen Krieg gegen die Nato anzetteln will, falls es den Sieg in der Ukraine davonträgt, führen Trump und Putin Gespräche, die nur am Rande mit der Ukraine und nur indirekt mit Europa, viel aber mit Eurasien zu tun haben, dessen Fläche von 55 Millionen Quadratkilometern und etwa 5,5 Milliarden Einwohner umfasst und in dem sich die Zukunft der US-Hegemonie entscheidet.

Da erscheint ein Subkontinent Europa wie ein Zipfelchen auf der gigantischen Weltkarte Eurasiens. Es geht nicht mehr und nicht weniger als um die geopolitische und geoökonomische Neuordnung der Welt und Eurasien steht im Zentrum dieses Geschachers.

Die bisherige, noch von Brzezinskis entworfene „imperiale Geostrategie“17 ist gescheitert. Eine Ersatzstrategie existiert bis heute (noch) nicht, sieht man von der altbekannten Eindämmungs- und Isolierungspolitik ab, die eher ein Zeichen der Fantasie- und Ratlosigkeit der den US-Demokraten nahestehenden EU- und US-Machteliten als eine vielversprechende, zukunftsorientierte Geostrategie ist.

Eine neue US-Geostrategie muss her und sie ist anscheinend mit Trumps Machtübernahme im Weißen Haus im Entstehen begriffen. Trumps geoökonomische Offensive scheint mit ihrem vom Zaun gebrochenen Zoll-Krieg, der mittlerweile für neunzig Tage ausgesetzt wurde, nur ein Vorgeplänkel und/oder Ablenkungsmanöver zu sein.

Tatsächlich verfolgt Trump gleichzeitig mehrere Ziele: Vordergründig geht es ihm um eine geoökonomische Transformation der bestehenden globalen Wirtschaftsstrukturen in eine neue, für die US-Hegemonie profitablere Weltwirtschaftsordnung. Im Hintergrund geht es aber um die Dreieck-Beziehung Russland-China-USA, wobei China hier eine zentrale Rolle in diesem globalen Transformationsprozess einnimmt, in dem Russland eine Art Scharnierfunktion zwischen China und den USA spielen sollte.

Das setzt wiederum eine weitgehende Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen voraus, die zuletzt infolge des Ukrainekonflikts (seit 2014 ff.) arg strapaziert wurden. Die Ukraine erscheint vor diesem Hintergrund in zweierlei Hinsicht als ein lästiger Störfaktor: Zum einen ist sie ein Projekt der von den US-Demokraten geschaffenen, vom „liberalen Internationalismus“ inspirierten und Trump verhassten globalen Machtstrukturen, deren Zerschlagung er zum Ziel hat.

Zum anderen ist die Ukraine mittlerweile zum EU-europäischen Projekt als Bollwerk gegen Russland geworden, dessen Machteliten Trump feindlich gesinnt sind. In diesem Sinne ist die Ukraine ein Feindesland, dessen Anführer Selenskyj Trump längst ein Dorn im Auge ist.

Trump hat Selenskyj wegen dessen Rolle im ersten Impeachment-Verfahren, das in den Jahren 2019/20 als Folge der sog. Ukraine-Affäre stattgefunden hat, nie verziehen.18 Es wäre darum nicht ausgeschlossen, dass Trump durchaus nicht abgeneigt wäre, Russland die Ukraine ganz zu überlassen.

Als Nebeneffekt käme hinzu, dass Russland mit dem zerstörten Land so viel zu tun hätte, dass es sich ökonomisch und sozial übernommen hätte und zudem noch in einem innerukrainischen Bürgerkrieg verstrickt wäre, was es als geopolitischen Rivalen geschwächt und gefügig mache.

In diesem Falle wären auch die EU-Machteliten geschwächt und es käme womöglich zum Elitewechsel in Europa, was Trumps geopolitische Machtbasis stärkte, Europas Machtstrukturen mit Trumps Amerika homogenisiert wären und eine ideologische Umformatierung Europas stattfinden würde.

Die Konsequenz wäre die Zerstörung der globalen Machtstrukturen des „liberalen Internationalismus“, die Sprengung der EU-Einheit und deren Zerfall in Einzelstaaten mit der Konsequenz einer Partikularisierung der nationalstaatlichen Machtinteressen.

Deswegen findet auch eine massive Unterstützung der europäischen Rechte seitens der Trump-Administration statt. Allein vor diesem Hintergrund wird Trumps Ukraine- und Europapolitik verständlich. Das ist aber nur eine (destruktive) Seite der Trumpschen Geopolitik.

Die andere Seite ist die Neuordnung Eurasiens, in deren Zentrum insbesondere der Nahe Osten mit seinen zahlreichen Konflikten (Israel, Syrien, Türkei, Iran) und Fernost (China, Nordkorea) steht. Und alles dreht sich um die Dreierbeziehung Russland-China-USA, wobei China in diesem Dreieck der Hauptrivale ist, auf den Trump und seine MAGA-Republikaner alle ihre Kräfte in dem sich gerade ausgebrochenen Zoll-Krieg konzentrieren.

Und das ist nur der erste Schritt in diesem geoökonomischen Bellizismus (= Geo-Bellizismus)19. Denn Trump geht es um mehr als nur um einen Zoll-Krieg zwischen den USA und China. Er will China von Rohstoffen, Lieferwegen und Lieferketten abschneiden. Kurzum: Trump will eine umfassende Wirtschaftsblockade gegen China errichten und versucht sie mit Zollandrohung, Kriegsandrohung und Lieferwegekontrolle zu erreichen:

Wie sich jetzt herausstellt, inszenierte er einen weltweiten Zoll-Krieg, um dann dessen Einfrierung für neunzig Tage anzukündigen, nicht nur, aber auch mit dem Ziel, den Rest der Welt in die Verhandlungen zu zwingen und dazu zu bewegen, mit China alle Lieferketten – wenn nicht ganz auszusetzen, was unmöglich wäre, so doch – auf ein Minimum zu reduzieren (Zollandrohung).

Ferner droht er dem Iran mit Krieg nicht nur wegen dessen Atomprogramm, sondern auch und vor allem wegen dessen Öllieferungen an China, um diese mittels Einschüchterung und/oder infolge von Verhandlungen mit dem Iran zu unterbinden (Kriegsandrohung).

Auch Trumps Versuch, den Panamakanal erneut in den US-Besitz zu überführen bzw. seine Ankündigung, Grönland in das US-Staatsgebiet durch Kauf oder Besetzung einzugliedern, ist keine bloße Effekthascherei, sondern hat ein klares geostrategisches Ziel, nämlich die weltweiten Lieferwege zu kontrollieren und China im Ernstfalle von Rohstofflieferungen abzuschneiden (Lieferwegekontrolle).

In diesem geopolitischen „Great Game“ spielt Russland für die Trumps Mannschaft insofern keine unbedeutende Rolle, als es dazu dient, Russland für sich im Kampf gegen China zu gewinnen. Deswegen strebt Trump eine Normalisierung der Beziehungen mit Russland, ohne dass die beiden Leviathans gleich Verbündete sein sollten.

Summa summarum hat Trump ein „Great Game“ entworfen, das dreierlei bezweckt: China durch die Wirtschaftsblockade geoökonomisch zu schwächen, von Lieferwegen und Lieferketten abzuschneiden; Russland durch die Normalisierung der russisch-amerikanischen Beziehungen militärisch zu neutralisieren und Europa durch die Transformation der Trump feindselig gesinnten, globalisierten EU-Machteliten in die nationalstaatlich gesinnten Machtstrukturen zu entmachten.

Ob dieses grandioses „Great Game“ erfolgreich sein wird, ist mehr als zweifelhaft, zu wenig hat der alternde US-Hegemon Kraft und zu sehr ist er mit seiner Strategie des „aggressiven Unilateralismus“ aus der Zeit gefallen.

Anmerkungen

1. Beckley, M., The Age of American Unilateralism. How a Rogue Superpower Will Remake the Global
Order. Foreign Affairs, 16. April 2025.
2. Rexin, M., Einleitung, in: Die unheilige Allianz. Stalins Briefwechsel mit Churchill 1941-1945. Mit einer
Einleitung und Erläuterung zum Text von Manfred Rexin. Rowohlt 1964, 5.
3. Kießling, W., In den Mühlen der großen Politik. Heinrich Mann, Paul Merker. Hefte zur DDR-Geschichte.
H. 36 (1996).
4. Vgl. Silnizki, M., Putins Kontinentalmachtstrategie. Zur Ukrainepolitik als Anti-Russlandpolitik. 25. Juli
2022, www.ontopraxiologie.de.
5. Ball; G. W., Kalte Kriegsmanie im Weißen Haus, in: Bittorf, W. (Hg.), Nachrüstung. Der Atomkrieg rückt
näher. Hamburg 1981, 167-170 (169).
6. Meissner, B., Die Außenpolitik der Sowjetunion – Grundlagen und Strategien, in: Kaiser, K./Schwaz, H.-P.
(Hrsg.), Weltpolitik. Strukturen – Akteure – Perspektiven. Bonn 1987, 435-460 (435).
7. Meissner (wie Anm. 6), 436.
8. Silnizki, M., Trumponomik. Geoökonomie des „aggressiven Unilateralismus. 12. April 2025,
www.ontopraxilogie.de.
9. Silnizki, M., Geo-Bellizismus. Über den geoökonomischen Bellizismus der USA. 25. Oktober 2021,
www.ontopraxiologie.de.
10. Prawda vom 4. April 1971. Zitiert nach Meissner (wie Anm. 5), 436.
11. Meissner (wie Anm. 6), 437.
12. Zitiert nach Rexin (wie Anm. 2), 12.
13. Silnizki, M., Rollenspiel im Machtspiel. Zur Rolle der Machteliten im Ukrainekonflikt. 2. November 2024,
www.ontopraxiologie.de.
14. Zitiert nach Rexin (wie Anm. 2), 12.
15. Zitiert nach Rexin (wie Anm. 2), 13.
16. Rexin (wie Anm. 2), 14.
17. Silnizki, M., Brzezinskis „imperiale Geostrategie“ im Lichte der Gegenwart. Zum Scheitern der US-
amerikanischen Russlandpolitik. 9. November 2022, www.ontopraxiologie.de.
18. Näheres dazu Silnizki, M., Moskau oder Brüssel? Trumps revolutionäre Geopolitik. 2. März 2025,
www.ontoptraxiologie.de.

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