Verlag OntoPrax Berlin

12-tägiger Luftkrieg

Zwischen Fehleinschätzung und Inszenierung

Übersicht

1. Der Luftkrieg als Blaupause für einen Krieg gegen Russland?
2. Ein inszeniertes Spektakel?
3. Koalitionskrieg gegen den Iran?

Anmerkungen

„Whatever comes next, the world is entering a very uncertain and dangerous
phase when it comes to Iran’s nuclear program.“
(Richard Nephew, 26. Juni 2025)1

1. Der Luftkrieg als Blaupause für einen Krieg gegen Russland?

Mit seiner in Foreign Affairs am 17. Juni 2025 veröffentlichten Studie „Israel’s Futile Air War“ (Israels sinnloser Luftkrieg) hat der US-Politikwissenschaftler, Robert A. Pape, die Frage nach dem Sinn und Widersinn des israelisch-iranischen Luftkrieges aufgeworfen – noch bevor er wusste, dass der Krieg genau eine Woche nach seiner Veröffentlichung beendet wird.

Wie die Überschrift seiner Studie bereits vermuten lässt, kam Pape zum Ergebnis, dass der Luftkrieg „sinnlos“ sei. Sein Urteil war unzweideutig:

Die Luftwaffe, egal wie zielgerichtet und intensiv sie sei, werde das iranische Atomprogramm weder in seiner Gesamtheit zerstören noch werde sie den Weg für einen Regimewechsel in Teheran ebnen. Wenn die historischen Erfahrungen ein Hinweis darauf geben, werde Israels übermäßiges Vertrauen in das, was seine technologisch fortschrittlichen Waffen anrichten können, wahrscheinlich die Entschlossenheit des Irans stärken und das Gegenteil der beabsichtigten Ergebnisse hervorbringen: einen gefährlicheren Iran, der sich von nun an mit Atomwaffen bewaffnen werde. Ohne eine Bodeninvasion oder direkte US-Unterstützung könnten Israels militärische Erfolge im Iran und darüber hinaus nur von kurzer Dauer sein.

Papes Urteil ist aus heutiger Sicht nicht von der Hand zu weisen. Die Aufgabe der nachfolgenden Analyse ist es freilich nicht nach dem Sinn oder Widersinn des 12-tätigen Luftkrieges zu fragen, sondern eine militärische Würdigung des Geschehens aus Sicht der zwei angesehenen russischen Militärexperten vorzustellen und daraus die entsprechenden Schlüsse zu ziehen.

Israels Operation im Iran sei eine Machtdemonstration der USA in Richtung Russlands und Chinas und ein mögliches Training zur Kriegsvorbereitung gegen Russland, behaupteten Konstantin Sivkov (geb. 1954) und Jurij Knutov (geb. 1958), in einer am 20. Juni 2025 stattgefundenen Diskussion. Die Operation selbst fand ihrer Meinung nach auf eine ungewöhnliche Art und Weise statt: Ein hinterlistiger Überraschungsangriff wurde von seit langer Zeit vorbereiteten Diversionsgruppen auf dem Territorium Irans unterstützt, die die iranische Flugabwehr mit ihren selbst fertiggestellten Drohnen angegriffen haben.

Gleichzeitig wurden die Beseitigung bzw. „Enthauptung“ der höchsten Militärführung und Atomwissenschaftler mittels Angriffs auf deren Privatwohnungen und Häuser (ohne Rücksicht auf die Zivilbevölkerung) und massiven Schlägen auf die strategischen, incl. Nukleareinrichtungen vorgenommen. Etwa vierzig Spitzenmilitärs und Atomwissenschaftler wurden dabei ausgeschaltet.

Es war eine Art Blaupause für einen eventuellen Angriff auf Russland zwecks Ausschaltung der militärischen und politischen Führung beim gleichzeitigen Angebot von Friedensverhandlungen mit einer neuen politischen Führung ohne Einsatz von taktischen und strategischen Nuklearwaffen, behaupteten die erwähnten Militärexperten.

Es fand mit anderen Worten „eine neuartige Erprobung eines Regimewechsels“ mittels eines massiven militärischen Überraschungsangriffs statt. Dass der „Westen“ einen derartigen Regimewechsel auch im Falle Russland plane, berichtete der russische Generalstab bereits im März 2019. Damals behauptete der russische Generalstabschef, Walerij Gerassimow, dass das Pentagon eine Strategie für militärische Aktionen gegen Russland namens „Trojanisches Pferd“ entwickle, die die Anwerbung einer „fünften Kolonne“ in Russland und die Angriffe auf die politische und militärische Infrastruktur des Landes vorsehe.

Es handele sich laut Gerassimow um eine „grundlegend neue Strategie“, mit der die USA das Protestpotenzial der „fünften Kolonne“ nutzen wollen, um die Lage in Russland zu destabilisieren. Das Pentagon plant im Zweifel auch Hochpräzisionswaffen einzusetzen, um die politische und militärische Führung des Landes auszuschalten.

Dass eine solche „Strategie der Enthauptung“, d. h. Schläge gegen die politische und militärische Führung, alles andere als neu ist, ist den russischen Militärexperten offenbar entgangen.

Bereits zu Zeiten des „Kalten Krieges“ stellten die Kriegsplanspiele der Reagan-Administration solche Überlegungen an. Die von Chef-Strategen im Weißen Haus und im Pentagon konzipierte „Strategie der Enthauptung“ der Sowjetunion, die auch einen lang andauernden Atomkrieg für „gewinnbar und führbar“ hielten, wurde im Mai 1982 verfasst und im August des gleichen Jahres Ronald Reagan zur Unterschrift vorgelegt.

Die „Strategie der Enthauptung“ (decapitation) sah u. a. vor, gegen die „gesamte sowjetische (und sowjetisch-verbündete) militärische und politische Machtstruktur“ gezielte, punktgenaue Atomschläge zu führen bzw. mit „chirurgischen Einzelschlägen“ atomar vorgehen zu können.

Endzweck dieser Operation sollte es sein, die „amerikanische atomare Macht in den Stand zu setzen, die Sowjets zur frühestmöglichen Beendigung der Feindseligkeiten zu zwingen, und zwar zu für die USA günstigen Bedingungen“ – soll heißen: Der „enthaupteten“ sowjetischen Bevölkerung könnten dann die Bedingungen des „Friedens“ – Friedhofsfriedens – diktiert werden.2

2. Ein inszeniertes Spektakel

Wie Israels Überraschungsangriff gegen den Iran auch gezeigt hat, war die in Erinnerung gerufene „Trojanisches Pferd“-Strategie bzw. die „Strategie der Enthauptung“ alles andere als aus der Luft gegriffen. Die beiden Diskutanten vertraten dabei die Auffassung, dass Israel als „Proxy“ benutzt werde, um dem Iran die Vertragsbedingungen über das Atomabkommen zwischen den USA und dem Iran diktieren zu können.

Als die 60 Tage andauernden diplomatischen Verhandlungen zwischen den USA und dem Iran über ein Atomabkommen so gut wie gescheitert waren, startete Israel am 13. Juni 2025 einen offenbar mit den USA abgestimmten Überraschungsangriff gegen den Iran, um die Vertragsbedingungen mit militärischer Gewalt getreu Trumps Slogan „Frieden durch Stärke“ zu erzwingen.

Als Vorbild für diesen als „Blitzkrieg“ konzipierten Überraschungsangriff soll laut Knutov die sog. „Operation Linebacker II“ gedient haben. Das als „Operation Linebacker II“ genannte strategische Bombardement erfolgte in der Tat kurz vor dem Friedensabschluss zwischen den USA und Vietnam und dauerte vom 18. bis zum 29. Dezember 1972 erstaunlicherweise ebenfalls 12 Tage und wurde auch „December Raids“ bzw. „Christmas Bombings“ bezeichnet.

Es waren die schwersten Bombenangriffe der US Air Force seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges. Insgesamt 741 B-52-Einsätze wurden befohlen, 729 davon wurden ausgeführt. 15.237 Tonnen Bomben wurden abgeworfen, dazu weitere 5.000 Tonnen Bomben von Jagdbombern. 212 zusätzliche B-52-Einsätze wurden im gleichen Zeitraum zur Unterstützung von Bodenoperationen geflogen.

Das brutale Bombardement brachte dessen ungeachtet keinen nennenswerten Erfolg. Ganz im Gegenteil: Mit Hilfe des in Vietnam aufgebauten sowjetischen Flugabwehrsystems wurde einunddreißig B-52-Bomber und insgesamt 84 US-Flugzeuge in nur weniger als zwei Wochen abgeschossen. Infolge dieser massiven Verluste waren die Amerikaner gezwungen, die Angriffe abzubrechen und sich auf die vietnamesischen Friedensvertragsbedingungen einzulassen.

Kurz danach, am 27. Januar 1973, wurde schließlich tatsächlich der Pariser Friedensvertrag (Paris Peace Accords) von Nord- und Südvietnam, den Vietkong sowie den USA unterschrieben.3

Was wir nun im israelisch-iranischen Luftkrieg beobachteten, ist eine vergleichbare Entwicklung. Der von Israel nicht ohne stillschweigende Zustimmung der USA durchgeführte Überraschungsangriff auf den Iran hat nicht die Ergebnisse erbracht, die die kriegstreibenden Parteien Israel und die USA sich erhofft haben.

Als sich nämlich nach neun Tagen Luftkrieg zwischen Israel und dem Iran (13.06.25 – 21.06.25) herausstellte, dass Israel, statt im „Blitzkrieg“ zu siegen, immer mehr in einen Zermürbungskrieg gerät mit unabsehbaren Folgen für Israel selbst, griffen nun auch die USA offen in das Kriegsgeschehen ein und bombardierten am 22. Juni 2025 drei iranische Atomanlagen, die nach Trumps Bekundungen „vollständig“ zerstört sein sollten.

Wenn man aber den Medien Glauben schenkt, dann wurde das hochangereicherte Uran aus den zu bombardierenden Atomanlagen nach einer amerikanischen Vorwarnung vor dem bevorstehenden Luftangriff vorsorglich entfernt. Gesichtswahrend griff der Iran nach dem US-Luftangriff seinerseits am 23. Juni 2025 ebenfalls nach Vorwarnung den US-Stützpunkt in Katar an, ohne anscheinend nennenswerte Schäden zu verursachen.

Man kann mit Fug und Recht behaupten, dass der militärische Schlagabtausch zwischen den USA und dem Iran ein inszeniertes Spektakel zwecks einer raschen Beendigung des als „Blitzkrieg“ konzipierten, sich aber als undurchführbar erwiesenen Luftkrieges war, damit auch die Israelis diesen selbstverursachten Schlamassel gesichtswahrend beenden können.

Denn bereits am gleichen Tag, dem 23. Juni, an dem der Iran zurückgeschlagen hat, kündigte Trump eine sofortige Feuerpause an. Das 12 Tage andauernde militärische Abenteuer Israels erwies sich als „Eigentor“ mit großen Zerstörungen für den Staat Israel selbst.

Das einmalige US-Bombardement diente mit anderen Worten nicht dazu, den Luftkrieg zwischen Israel und dem Iran zu eskalieren, sondern ganz im Gegenteil ihn vor allem im Wohle Israels so schnell wie nur möglich zu beenden. Die israelische Führung hat sich offenbar militärisch ungeachtet der errungenen Luftüberlegenheit vor allem im Raum Teheran überschätzt und den Iran trotz den ihm zugefügten schweren Verlusten unterschätzt.

Warum kann aber der von Israel vom Zaun gebrochene Luftkrieg als gescheitert gelten? Weil der von Israel als „Blitzkrieg“ konzipierte Überraschungsangriff in einen zermürbenden Luftkrieg zu entgleiten drohte, wofür Israel offenbar keine ausreichenden Kapazitäten hatte, von den unerwarteten verheerenden Zerstörungen des Landes ganz zu schweigen.

Zudem hat Israel kein einziges geopolitisches Ziel erreicht! Weder wurden Irans Atomanlagen ungeachtet von Trumps Ankündigung „vollständig“ zerstört und das iranische Atomprogramm gestoppt noch hat der angestrebte Regimewechsel stattgefunden und der Iran eine bedingungslose Kapitulation erklärt. Auch die Produktionsstätte für ballistische Raketen und Marschflugkörper wurden vermutlich bestenfalls beschädigt, aber nicht zerstört.

Schlimmer noch: Der Iran kann jetzt beschließen, aus dem Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV) mit der Begründung auszusteigen, dass er von zwei Nuklearmächten Israel und den USA angegriffen wurde.

Kurzum: Man muss von nun an davon ausgehen, dass der Iran aus diesem vermeintlichen „Blitzkrieg“ Israels dank der erworbenen Kriegserfahrung weitreichende Lehren ziehen, sich militärisch neu aufstellen, seine Flugabwehr mit Hilfe Russlands modernisieren und sich zum Ziel setzen wird, sich erst recht nuklear aufzurüsten.

Putin hat im Übrigen nach eigenen Angaben den Iranern lange vor dem Kriegsausbruch einen Aufbau des Flugabwehrsystems für das ganze Land angeboten. Die Iraner haben es dankend in der Hoffnung abgelehnt, sich mit den USA einigen zu können, und zwar nicht zuletzt deswegen, weil Teile der iranischen Gesellschaft prowestlich und antirussisch gestimmt sind. Jetzt hat der Iran für seine Fehlkalkulation einen hohen Preis bezahlt.

Und was Israel angeht, so hat es sich ungeachtet seiner militärtaktischen Erfolge geostrategisch geschwächt, weil sich der Mythos von der Unbesiegbarkeit und Unverwundbarkeit als Illusion und Selbsttäuschung erwiesen hat.

Aus einer ganz anderen Perspektive kam der Parteichef von Israel Beitenu und der ehem. israelische Außen- und Finanzminister, Avigdor Lieberman (2009-2012, 2013-2015, 2021-2022), zum gleichen Ergebnis. Berichte über einen möglichen Waffenstillstand mit dem Iran am 24. Juni 2025 kommentierend, sagte Liebermann: „Angesichts der beeindruckenden militärischen Erfolge der israelischen Streitkräfte und des Mossad im Krieg gegen den Iran ist dessen Schluss besonders bitter. Anstatt eine bedingungslose Kapitulation zu fordern, beginnt die Welt schwierige und langwierige Verhandlungen, während das Ayatollah-Regime weder die Urananreicherung auf iranischem Boden noch die Produktion und Bewaffnung mit ballistischen Raketen, noch die Unterstützung und Finanzierung des Terrorismus in der Region und weltweit aufzugeben beabsichtigt. Schon zu Beginn des Krieges habe ich gewarnt, dass es nichts Gefährlicheres gibt, als einen verwundeten Löwen am Leben zu lassen. Ein Waffenstillstand ohne eine klare und präzise Vereinbarung wird uns in zwei oder drei Jahren mit Sicherheit in einen weiteren Krieg unter weitaus schlimmeren Bedingungen führen.“

Israel muss in der Tat von nun an selbstverschuldet mit noch mehr Sorgen in die Zukunft blicken.

3. Koalitionskrieg gegen den Iran?

Woran lag aber das Scheitern des „Blitzkrieges“, der in einen zermürbenden Luftkrieg überging und erst nach langen zwölf Tagen abgebrochen werden musste? Sieht man von einer militärpolitischen Fehleinschätzung der israelischen Führung, die den Überraschungsangriff als „Blitzkrieg“ konzipiert hat, ab und betrachtet die Ereignisse rein militärtaktisch, so lief der Luftkrieg bereits nach dem ersten Überraschungsschlag schief.

Der am ersten Tag erfolgte israelische Überraschungsangriff wurde in fünf Wellen durchgeführt. Die erste Welle begann mit einem Drohnenangriff aus dem Territorium Irans heraus zwecks Ausschaltung der Flugabwehr.

Zugleich fand eine Cyberattacke der CIA statt, die die Flugabwehr sowie Computernetzwerke der militärischen Abschirm- und Aufklärungsdienste außer Kraft setzte, um Chaos und Führungslosigkeit zu stiften. Das Computernetzwerksystem wurde freilich nicht zerstört, sondern nur vorübergehend lahmgelegt. Mit russischer Hilfe wurde es wiederhergestellt und die Iraner schlugen sodann ihrerseits innerhalb von zwölf Stunden zurück.

Der Drohnenangriff aus dem Territorium Irans ähnelte dabei stark der am 1. Juni 2025, also kurz vor dem israelischen Überraschungsangriff, von den ukrainischen und befreundeten westlichen Geheimdiensten durchgeführten sog. „Operation Spinnennetz“, die die russischen Militärflugplätze angegriffen hat, an denen strategische Bomber stationiert sind.

Die Vermutung liegt nahe, dass die beiden Angriffe in Russland und im Iran von ein und derselben Hand geplant, vorbereitet und ausgeführt wurden und dass der Mossad in beiden Fällen seine Hände im Spiel hatte.

Parallel dazu flog die israelische Luftwaffe die Angriffe gegen die Führungszentren, Stäbe und Privatwohnungen bzw. Häuser, in deren Folge die Spitzenmilitärs und Atomwissenschaftler (ca. vierzig Personen) erfolgreich ausgeschaltet wurden.

Die nächste Welle betraf erneut die Flugabwehr im Gebiet Teheran und in bestimmten Luftkorridoren zwecks Erringung der Luftüberlegenheit. Drei folgende Wellen erfolgten durch Raketenbeschuss von Flugzeugen auf die iranischen Stellungen, wobei sich die israelischen Flugzeuge außerhalb der Lufthoheit Irans befanden.

Nach dem israelischen Überraschungsangriff folgten Irans massive Angriffe auf dem Fuß vermutlich mit erheblichen Zerstörungen an militärischer und ziviler Infrastruktur. Da in Israel eine strenge Militärzensur herrscht, werden wir das ganze Ausmaß der Zerstörungen womöglich nie erfahren.

Nach dem ersten iranischen Gegenangriff musste es, wenn man der Logik des „Blitzkrieges“ folgt, einen zweiten massiven Luftangriff Israels geben.

Israels massiver Zweitschlag, der spätestens am zweiten Kriegstag erfolgen und den Rest der iranischen Flugabwehr endgültig ausschalten sollte, fand eingeschränkt und erst mit Verzögerung statt. Das deutet wiederum darauf hin, dass der erste iranische Gegenschlag Israel viel mehr Schäden verursachte, als die Israelis zugeben wollten, wodurch der Zweitschlag zumindest verzögert wurde, was den Iranern etwas Luft verschafft hat.

Was ist passiert? Nach Knutovs Einschätzung habe sich der Iran auf Israels Angriff vorbereitet, auch wenn er den Zeitpunkt des Angriffs „verschlafen“ habe. Die Vorbereitung bestand zum einen darin, dass zu einer möglichen „Enthauptung“ der Militärführung bereits ein Ersatz feststand, sodass die Handlungs- und Entscheidungsfähigkeit der Militärführung rasch wiederhergestellt wurde.

Zum anderen waren viele vom Überraschungsangriff getroffenen Ziele Attrappen (schätzungsweise 30% bis 50%). Das hat es den Iranern ermöglicht, ihr Raketenpotential aufrechtzuerhalten und für einen Gegenschlag zu nutzen. Israels Überraschungsangriff wurde dadurch neutralisiert.

Mit ihrem Gegenschlag haben die Iraner nach Knutovs Meinung den größten militärischen Flughafen neben dem israelischen Verteidigungsministerium mit Hyperschallraketen getroffen, massiv beschädigt und vorübergehend außer Kraft gesetzt.

Die Beschädigung des Flughafens sollte in welchem Ausmaß auch immer vermutlich erheblich sein, sonst hätte der massive Zweitschlag der Israelis viel schneller stattfinden können. Im Verlauf seiner Raketenattacken beschoss der Iran regelmäßig und gezielt auch die anderen israelischen Flughäfen.

Der einzige internationale Flughafen Ben Gurion wurde daraufhin geschlossen. Die Häfen von Haifa und Aschdod wurden nach iranischen Angriffen ebenfalls geschlossen. Auch die Erdölraffinerien in Haifa und Aschdod wurden angegriffen und lahmgelegt. Israel befand sich „urplötzlich“ in einer ziemlich prekären ökonomischen Lage. Der Jäger wurde zum Gejagten.

Das anfängliche Überraschungsmoment wurde vom Iran jedenfalls schnell absorbiert und neutralisiert, was den weiteren Kriegsverlauf entscheidend bestimmt hat. Was danach kam, war der Beginn eines Zermürbungskrieges in der Luft und die Israelis konnten keine entscheidenden strategischen Vorteile mehr erzielen trotz ihrer errungenen Luftüberlegenheit.

Erst mit einer ungeplanten Verzögerung begann Israel, wie gesagt, mit weiteren Luftangriffen. Bereits bei der zweiten Angriffswelle zeigte sich aber, dass die iranische Flugabwehr nicht vollständig ausgeschaltet wurde. Allein im Raum Teheran wurde sie weitgehend neutralisiert. Hinzu kam, dass Israel mit nur 12 Betankungsflugzeugen in seinem Besitz unzureichende Kapazitäten hatte, um Nonstop-Angriffe zu fliegen.

Knutov vermutet, dass die Israelis bei ihrem Überraschungsangriff bis zu 200 Flugeinsätze tätigten und diese konnten unmöglich ohne die Betankungshilfe der befreundeten Staaten geschehen.

Will man Knutov Glauben schenken, so kamen die deutschen und britischen Betankungsflugzeuge zum Einsatz. Würde das stimmen, dann würde das bedeuten, dass die Nato-Länder Deutschland und England bereits beim ersten Luftangriff und die USA bei weiteren israelischen Luftangriffen gegen den Iran mit ihren Betankungsflugzeugen unmittelbar am Kriegsgeschehen mitbeteiligt waren.

War also die Äußerung des deutschen Bundeskanzlers mehr als nur eine flapsige Bemerkung, als er am 17. Juni 2025 im ZDF-Interview sagte: „Das ist die Drecksarbeit, die Israel für uns alle macht“?

Mehr noch: Bei der Abwehr iranischer Raketen wurde nicht allein die israelische Flugabwehr (wie Iron Dome, כיפת ברזל) eingesetzt. Hier war auch die amerikanische, französische, britische, jordanische und saudi-arabische Luftabwehr im Einsatz. Israel kämpfte gegen Iran, so gesehen, nicht alleine, sondern in einer Koalition aus mehreren Ländern.

Umso beachtenswerter ist Irans militärische Leistung in diesem ziemlich ungleichen Luftkrieg, die die israelischen Erfolge relativiert, weil sie nicht ohne die Mitwirkung der befreundeten Nationen zu Stande gekommen wären.

Dem Iran ist es offenbar gelungen, mit seinen Raketenangriffen der industriellen und militärischen Infrastruktur Israels erhebliche Schäden zuzufügen, wobei er nach eigenen Angaben seine modernste Raketentechnologie gar nicht eingesetzt hat. Das spricht jedenfalls für ein aufbaufähiges militärisches Potential Irans in der nahen Zukunft. Mit Russlands und Chinas Hilfe könnte dieses militärische Potential zur Bedrohung Israels und über seine Grenzen hinaus werden.

Wie auch immer man den 12-tägigen Luftkrieg bewerten mag, bei aller Luftüberlegenheit der Israelis, die nicht ohne eine tatkräftige Unterstützung der „Koalition der Willigen“ zu Stande gekommen ist, ist es den Iranern trotzdem gelungen, Israels Angriffe auf den Iran im Kriegsverlauf abzuschwächen.

Das bedeutet aber in Umkehrschluss, dass Israel einen sich anbahnenden Zermürbungskrieg mit entstandenen erheblichen Zerstörungen am Boden (insbesondere in Tel Aviv, Haifa und Beer Scheva) auf Dauer nicht durchalten könnte. Und das war höchstwahrscheinlich der ausschlaggebende Grund für eine abrupte Beendigung der Kriegshandlungen bzw. des Luftkrieges und die anschließende Feuerpause.

Resümierend kann man sagen, dass der stattgefundene Luftkrieg sich als untaugliches Mittel erwiesen hat, den seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen Israel und dem Iran militärisch zu lösen. Geostrategisch gesehen, wurde Israels Image als eine unbesiegbare und unverwundbare Regionalmacht stark ramponiert. Insgesamt kann der Kriegsausgang als unentschieden angesehen werden.

Anmerkungen

1. Richard Nephew, Did the Attacks on Iran Succeed? Foreign Affairs, June 26, 2025.
2. Bruhn, J., Schlachtfeld Europa oder Amerikas letztes Gefecht. Gewalt und Wirtschaftsimperialismus in der
US-Außenpolitik seit 1840. Bonn 1983, 201.
3. Näheres dazu Silnizki, M., Zwischen Krieg und Frieden. Setzen die Friedensverhandlungen einen
Waffenstillstand voraus? 8. Juni 2025, www.ontopraxiologie.de.

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